Vijay Iyer gehört zur Gruppe der hochklassigen Pianisten, deren Spiel sich nicht anbiedert und auch nicht danach verlangt, sofort genussvoll rezipiert zu werden.
Seine Musik benötigt mehrere Durchgänge, um dann aber als das wahrgenommen zu werden, was sie ist: Kunst, Gefühl, Botschaft, all das vereint sich in seinen Veröffentlichungen, die hochklassiger nicht sein könnten. Großen Anteil daran haben die Kontrabassistin Linda May Han Oh und der Schlagzeuger Tyshawn Sorey, die nach dem Großwerk „UnEasy“ (rezensiert in der LP 5/2021) auf der aktuellen Doppel- LP noch wuchtiger und dichter verwoben miteinander agieren. Ausgangspunkt des Albums war die besondere Situation, dass Vijay Iyer das Klavier des gerade verstorbenen Meisters Chic Corea geliehen bekam. Er entschied sich, die Stevie Wonder-Komposition „Overjoyed“ darauf zu spielen. Diese war Teil der letzten Performance von Chic Corea, die er während des Corona-Lockdowns im Jahr 2020 in einem Live-Stream aufgeführt hat. Eine atemberaubende Version davon findet sich unter den zwölf Stücken des Albums, von denen Vijay Iyer neun selbst komponiert hat. Die innige Kommunikation der Musiker ist der Grundpfeiler für ein Programm voller Intensität und Spannung, dabei klingt das Trio trotz der Limitierung auf Piano, Bass und Schlagzeug viel größer als es ist. Jedes Stück hat seine eigene Bedeutung, so ist „Arch“ dem Bischof Desmond Tutu gewidmet, der dabei half, in Südafrika die Apartheids-Politik zu beenden.
Die Energie, die von „Compassion“ verströmt wird und die spieltechnische Finesse der drei Musiker sorgen dafür, dass das Album bereits jetzt zu den Jazz-Höhepunkten des Jahres gezählt werden muss. Über guten Klang und Pressqualität muss man bei ECM ohnehin nicht sprechen, die sind dort selbstverständlich.
Drei Musiker, jeder für sich genial, gemeinsam ein Traum.
| Titel | Vijay Iyer / Linda May Han Oh / Tyshawn Sorey – Compassion |
| Label | Label: ECM |
| Angehört von | Ralf Henke |
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