Jessica Pratts viertes Album „Here in the Pitch“ ist kein “Sweet Ear Candy”, das sich dem Hörer beim ersten Durchgang direkt in die Großhirnrinde bohrt wie Karies in die Backenzähne – nein, es braucht einige Durchläufe, bis man entschleunigt und einfach nur noch zuhört. Doch wenn die charmante, oft ein wenig kindlich wirkende Stimme von Jessica Pratt und die delikaten Songstrukturen erstmal gezündet haben, setzen sie sich umso unauslöschlicher im Hörlustzentrum fest.
Nicht umsonst hat sich die Künstlerin aus Los Angeles in den letzten 12 Jahren den Ruf einer der bemerkenswertesten Songwriterinnen ihrer Generation erarbeitet. Es ist eine schwer fassbare Mischung, die Pratt darbietet: eine zarte Akustikgitarre, sparsame Klavierarrangements, schwebende Streicher und dieser bezaubernde, entzückende Gesang. „Here in the Pitch“ liefert, wenn wir mal über den rein kompositorischen Aspekt hinausschauen, vor allem in Sachen Stimmungen geradezu Paradoxes. Hier mischen sich nämlich in sich gekehrte große Panoramaklänge, frei sich entwickelnde Intimität, und zugängliche Verschrobenheiten.
In den neun Songs überlagern sich Pauken, Glockenspiel, Baritonsaxofon, Flöte und tolle Gesangsarrangements, oft im orchestralen, groß anmutenden Stil von 60er-Jahre-Pop-Hits wie „The Sun Ain‘t Gonna Shine Anymore“ von den Walker Brothers. Was mir am eindringlichsten erscheint, ist, wie Pratt eine emotionale Unmittelbarkeit schafft. Sie wandelt sich von fröhlich bis traurig und lässt den Zuhörer immer direkt teilhaben, ohne Filter. Auch klanglich kann ich dem Low-Fi-Sound mit seiner distanziert-tiefen Räumlichkeit einiges abgewinnen, auch wenn diese Scheibe wohl nie auf irgendeiner Hifi -Messe laufen wird. Mein Tipp dennoch: Unbedingt anhören – Anspieltipp ist „World on a String“.
Nichts für nebenbei – mit jedem Durchlauf besser!
| Titel | Jessica Pratt – Here In The Pitch |
| Label | City Slang |
| Angehört von | Michael Bruss |
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