Lautsprecher Klangheim Audio Gloria im Test, Bild
Die ungefähre Lesezeit beträgt 10 Minuten
Einzeltest > Lautsprecher > 21.02.2025

Glanz und Gloria

Nun ist es ja nicht unbedingt so, dass es am Markt einen Mangel an ambitionierten Standlautsprechern gäbe. Dieser hier ragt aber durch ein paar gute Ideen aus der Masse der üblichen Konstruktionen heraus.

Lautsprecher Klangheim Gloria

Zitat von der Herstellerwebseite als Antwort auf die Frage, was Klangheim anders macht: „Zum einen fließt nur ein geringer Teil des Budgets in Werbung und Marketing.“ Ganz schlechter Ansatz, Herr Weber, ganz schlecht. Wir wollen aber mal nicht so sein: Offensichtlich hat es ihr Lautsprecher in diese Publikation geschafft, obwohl Redakteur, Fotograf, Grafikerin, Buchhalterin, Disponentin und beliebig viele andere Mitarbeiter jetzt nichts mehr zu essen haben, die Temperatur im Verlagsgebäude kontinuierlich fällt und wir unseren Kaffee jetzt selbst bezahlen müssen. Irgendwas hat uns wohl bewogen, trotz allen Ungemachs sechs Seiten unseres Hochglanzmagazins mit Dingen über die Klangheim Elysium zu füllen – mag es am Ende damit zusammenhängen, dass es sich um ein wirklich gutes Produkt handelt, dass es verdient, ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu werden? Es scheint fast so… Scherz beiseite. Meine erste Begegnung mit der Standbox (schlank, groß) und ihrem Entwickler Jörg Weber (schlank, groß) fand auf einer der üblichen Messen statt. Fragen Sie mich nicht auf welcher – ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls weckte die „Gloria“ erstens wegen eines ausgezeichneten Klangeindrucks und zweitens bedingt durch ein paar interessante konstruktive Details mein Interesse. Und nachdem ich nunmehr relativ viel Zeit mit den 13800 Euro pro Paar teuren Zweiwegerichen verbracht habe bin ich geneigt zu sagen: Welch ein Glück.   

Das Konzept
Klangheim ist eine in Berlin ansässige Manufaktur. Obschon bereits seit 2014 im Geschäft, blühte das Pflänzchen bis jetzt eher im Verborgenen – was kein Wunder ist. In den Regalen der Unterhaltungselektronik- Discounter werden Klangheim-Konstruktionen kaum auftauchen, weil jedes der fünf Modelle individuell auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten wird. Das betrifft einerseits Aspekte bei der Farb- und Materialwahl, erstreckt sich jedoch aufs „Eingemachte“, sprich: klanglich relevante Aspekte. Klangheim- Lautsprecher sind von daher nur bedingt Universalisten, die man einfach hinstellt, anschließt und dann bis ans Ende aller Tage zufrieden Musik damit hört. Zum Service der Firma gehört eine aufwändige Setup-Prozedur zuhause beim Kunden, die Lautsprecher verfügen über diverse Mechanismen, um sie auf ihren individuellen Einsatzort hin zu optimieren. Firmenchef Weber hat seine Sporen unter anderem bei Heco, Sehring und Teufel verdient. In den USA hat er jahrelang komplett individuelle Lautsprecherlösungen konzipiert und umgesetzt, außerdem verfügt er über eine solide technische Ausbildung. Erfahrung ist also zuhauf vorhanden und das merkt man.   

Gloria
Das Modell „Gloria“ ist die kleinste Standbox im Klangheim-Portfolio, was bei einer Höhe von etwa 113 Zentimetern (mit Spikes) durchaus etwas heißen will. Sie wirkt optisch deutlich schmaler als sie tatsächlich ist: Der Korpus hat nämlich einen trapezförmigen Querschnitt und ist hinten 28, vorne aber nur 18 Zentimeter breit. Zudem ist die dämpfend (ausgezeichnete Idee) mit dem Korpus verbundene Echtholzfront optisch deutlich dominanter als der dezent in mattem Nextel lackierte Korpus, was für eine zurückhaltende Silhouette sorgt. Die Gloria ist ein Zweienhalbwegekonzept mit vier Treibern auf der Front. Die oberen drei bilden ein Zweiwegesystem in Abklassischer „MTM“-Anordnung, will sagen: zwischen zwei Tiefmitteltönern sitzt ein Hochtöner. Das sorgt für ein schön symmetrisches Abstrahlverhalten. Unterhalb dessen kommt ein dritter identischer Tiefmitteltöner zum Zuge, der als Subwoofer dient und nur unterhalb von 100 Hertz tätig wird. Wer nach der Bassreflexöffnung für das Ganze sucht wird nicht fündig werden.

Lautsprecher Klangheim Audio Gloria im Test, Bild
Unten auf der Rückseite: WBT-Anschlussterminals und die Einfüllöffnung für den Sand
Vielmehr offenbart die Rückseite der Box drei 18 Zentimeter durchmessende Passivmembranen, die mit der Korbseite nach außen montiert sind. Wir erinnern uns: Eine Passivmembran funktioniert prinzipiell genau so wie ein Bassreflexrohr, verfügt aber über ein paar Vorteile: Die Gefahr von Strömungsgeräuschen besteht nicht, außerdem kann man die Parameter der Abstimmung ändern. Heißt: Das Verändern der Masse der Passivmembran bewirkt genau das Gleiche wie eine Änderung der Reflexrohrlänge. Zu diesem Zweck liegen der Gloria drei Sätze Gewichte bei, mit denen man die Passivmembranen beschweren kann. Heißt in der Praxis: Bei maximalem Gewicht ergibt sich ein besonders tiefer Bass mit eher schlankem Charakter, bei minimaler Gewichtsbestückung ist der Tieftonbereich prägnanter, reicht aber nicht so weit in den Keller. Solcherlei Tuning ist praktisch mit keiner anderen passiven Lösung im Bass möglich und ist ein mächtiges Werkzeug beim Matching von Lautsprecher und Hörsituation. Die drei 13-Zentimeter-Tiefmitteltöner stammen übrigens vom deutschen Spezialisten Eton und zeichnen sich durch eine steife, aber leichte Wabenmembran namens „Hexacone“ aus, in der Mitte sitzt ein geschlitzter besonders strömungsgünstiger Phase Plug. Fürs Ansprechverhalten ist der kleine 25-Millimeter-Antrieb der Treiber ein klarer Vorteil, für die Belastbarkeit allerdings nicht: Wer zuhause regelmäßig ernsthafte Goa-Partys schmeißt, sollte sich für diesen Zweck ein geeigneteres Paar Zweitlautsprecher anschaffen. Zurück zur Gloria: Im Hochtonbereich setz der Hersteller auf einen recht großen Ringradiator. Seine erkleckliche Membranfläche und der ordentliche Maximalhub ermöglichen eine untere Grenzfrequenz von 1500 Hertz, was dem Abstrahlverhalten zugute kommt: Bei dieser Frequenz bündeln die Tiefmitteltöner noch nicht nennenswert. Gefiltert wird mit „zeitkohärenten“ Filtern – was auch immer das heißen mag. Interssant ist, dass eine symmetrische Topologie zum Zuge kommt. Das heißt: Die Filterung erfolgt sowohl im „heißen“ Signalleiter als auch im Massezweig. Das hat zur Folge, dass man erstens mehr und zweitens bis zu viermal so große Bauteile braucht, die Wirksamkeit der Maßnahme kann ich allerdings bestätigen. Klangheim lässt sich sogar individuelle Folienspulen für seine Filter fertigen.   

Gehäuse

Der Korpus der Gloria besteht aus einem MDF-Bitumen-Sandwich und ist zusätzlich an stratgischen Stellen verstrebt. Gedämmt wird mit hocheffektivem Basotect-Schaum, der nur an strategisch entscheidenden Stellen zum Einsatz kommt. Die Frequenzweiche sitzt in einer eigenen Kammer, außerdem gibt eine mit acht Kilogramm Sand befüllbare Kammer, was für eine weitere Beruhigung des Geschehens sorgt.   

Und sonst

Klangheim liefert der Box ein gehaltvolles Zubehörkästchen mit, das unter anderem drei Sätze Unterstellfüße enthält. Die Auswahl des passendsten Satzes ist Bestandteil der Aufstellprozedur, die Jörg Weber bei jedem Kunden mit extremer Akribie durchexerziert. Dazu gehört auch, dass er Elektronik und Kabel im Gepäck hat um festzustellen, was unter den jeweiligen Gegebenheiten am besten funktioniert. Was auf alle Fälle eine sehr glückliche Ehe eingeht sind Gloria und der Symphonic Line-Vollverstärker RG14, der in seiner aktuellen Inkarnation an dem Berliner Lautsprecher schwer zu schlagen ist. Ein grundsätzliches Merkmal der Berliner Box ist, dass sie jegliche Art von Unterschieden mit größter Selbstverständlichkeit hörbar macht. Tatsächlich ist sie ein Präzisionsinstrument sondergleichen, dass sehr tief sowohl technisch wie musikalisch blicken lässt. Tatsächlich brauchte es eine Weile, bis sie in unserem Hörraum in jeder Hinsicht „hingeruckelt“ war und das Klangbild bestens passte. Letztlich ergab sich ein pfeilschnelles, fast schwerelos im Raum schwebendes Klangbild, bei dem die Lautsprecher physisch nicht mehr in Erscheinung traten. Ich mach’s ja nicht oft, aber manche Gelegenheiten verdienen es einfach, mit Keith Jarretts unsterblichem Köln Concert garniert zu werden. Das hier ist so eine. Von den ersten Momenten an verzaubert der Auftritt mit einer enormen Komplettheit, bei dem all die kleinen Hintergrundgeräusche dem Zuhörer die vollkommene Live-Illusion vermitteln. Gleiches gilt für des Meisters Stimmungen, die einen fast fühlen lassen, wie die Improvisationen in diesem Moment entstehen. Hochgradig beeindruckend. Interessant ist der Einfluss der acht Kilo Sand, die optional ins Gehäuse eingefüllt werden können. Dadurch nämlich gewinnt das Klangbild nochmals an Intimität und Ausdruck, es klingt nochmal zurückhaltender, aber auch selbstverständlicher. Die Gloria ist ganz klar ein Lautsprecher für ausufernde Ausflüge in weite musikalische Landschaften. Das funktioniert auch im Rockmusikbereich ganz ausgezeichnet, wie die endlosen Space-Rock-Improvisationen einer Formation wie Electric Moon beweisen. Man kann hier so tief ins Geschehen hineinfallen, dass das Ende einer Plattenseite zur echt unerfreulichen Unterbrechung des Erlebnisses wird. Die Gloria macht das gefühlvoll, perfekt untechnisch und hochemotional. Mit angemessenem Tiefgang und perfekter Differenzierung. Ein durch und durch faszinierender Lautsprecher!     

Gemessenes:
Lautsprecher Klangheim Audio Gloria im Test, Bild

De Gloria beeindruckt zunächst einmal mit einem perfekten Frequenzgang: Ganz leicht fallender Verlauf vom Oberbassbereich bis weit in den Hochtonbereich hinein – so macht man das. Wir haben mit den kleinen Zusatzgewichten an den Passivmembranen gemessen, daher die ganz kleine Überhöhung um 100 Hertz. Wunderbares Rundstrahlverhalten, praktisch keine Unregelmäßgkeiten auch außerhalb der Achse. Der Mittlere Wirkungsgrad liegt bei rund 87 Dezibel an 2,83 Volt, aber Achtung: Der Impedanzschrieb offenbart ein paar Eigenheiten, will sagen: Unterhalb von 500 Hertz bewegt sich die Impedanz mitunter deutlich unter vier Ohm, ganz unten auch bei 2,5 Ohm – kein Wunder bei drei in diesem Bereich aktiven Tieftönern. Die Klirrmessung bei 95 Dezibel Schalldruck offenbart die Grenzen des Konzeptes: Unter 100 Hertz läuft der Klirr dritter Ordnung weg, hier ist mechanisch bedingt Schluss. 


Unterm Strich...

Klangheims Gloria ist ein extrem stimmiger und feingeistiger Wandler, der sich perfekt auf die jeweilige Hörsituation einstellen lässt. Sie ist ein Präzisionsinstrument, das lange Jahre perfekten Musik genusses verspricht.

KategorieLautsprecher
ProduktGloria
HerstellerKlangheim Audio
Preis13800 Euro
Preis Zusatz Paarpreis
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Zeit zum warm Anziehen - Endverstärker Eversolo AMP-F10

Logo LP:Magazin

Weitere Tests des Autors Holger Barske

 10.03.2025
Neues aus dem Rabenhorst - Plattenspieler TW Acustic Raven GT2 Basic / Tonarm Raven 9.5

Eigentlich ist er fertig mit dem Thema Plattenspieler. Über die letzten 20 Jahre hat er so ziemlich jede Variante seines „Raven“-Konzeptes realisiert und alles gebaut, was man auf Basis eines...

Endverstärker EverSolo AMP-F10 im Test, Bild
 07.03.2025
Zeit zum warm Anziehen - Endverstärker Eversolo AMP-F10

Die Überschrift ist keine Ansage an die Leser dieser Publikation, sondern an den highendigen Mitbewerb: Da kommt was auf euch zu, an dem ihr schwer zu schlucken haben werdet.

Netzvorschaltgerät Efuse FB im Test, Bild
 13.02.2025
Zauberkästchen - Netzvorschaltgerät Efuse FB

Bestimmt kennen Sie die Diskussion um „audiophile“ Gerätesicherungen. Da werden mitunter beeindruckende Preise für kleine Glasröhrchen aufgerufen, die den Platz der fast gleich...

Kopfhörer Warwick Acoustics Aperio im Test, Bild
 06.02.2025
Über den Wolken - Kopfhörer Warwick Aperio

Jawohl, jetzt sind sie vollends durchgeknallt. Es ist ja nicht so, dass sich die Testgeräte in der LP geradewegs in Richtung Budget-HiFi entwickeln würden aber das hier, das ist doch wohl...

Lautsprecher SV Sound Ultra Evolution Bookshelf im Test, Bild
 30.01.2025
Mit Bodenhaftung - Lautsprecher SVS Ultra Evolution Bookshelf

US-Lautsprecherhersteller SVS war einer der Abräumer bei der diesjährigen Preisverleihung ist der EISA (Expert Imaging and Sound Association), bei der Komponenten von handverlesenen...

Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


newsletter_icon

Keine Tests verpassen!

Jetzt zu unserem Newsletter anmelden und keinen Test mehr verpassen.

× Vollbildanzeige