Nun gilt Bulgarien je nicht unbedingt als Zentrum des audiophilen Universums, aber wenn man genau hinsieht, dann finden sich im Südosten Europas durchaus einige überaus ambitionierte Hersteller tönender Preziosen.
Phonovorstufe Thrax Cotys
Zur Einordnung
Einer dieser Hersteller ist ohne Zweifel die in Sofia ansässige Firma Thrax Audio. Obschon das Gründer und Chef-Designer Rumen Artarski sein Unternehmen schon lange betreibt, führen die Thrax-Produkte zumindest bei uns immer noch ein Nischendasein. Was einerseits an der ziemlich exotischen technischen und optischen Aufmachung liegt, andererseits aber auch am durchaus ambitionierten Preisgefüge. Im Rahmen dieses Magazins ist Thrax Audio erste einmal in Erscheinung getreten, und zwar im Jahre 2019 mit dem ausgezeichneten direkt angetriebenen Plattenspieler Yatrus. Bei ihm handelt es sich um einem kompakten, optisch nicht zu aufdringlichen High-Tech-Dreher, den es serienmäßig sogar mit einem Schröder- Tonarm zu kaufen gibt. Mit dem Modell „Cotys“ hat Thrax nunmehr eine anspruchsvolle Phonovorstufe vorgestellt, die schon ob ihrer Kompaktheit und ihres technologischen Anspruchs eine ideale Ergänzung zum Yatrus sein dürfte. Einen solchen hatten wir nun gerade nicht als Spielpartner zur Verfügung, mit anderen Drehern geht’s aber natürlich auch.
Äußerliches
Das Gerät – der Name lässt sich übrigens auf einer ganze Reihe von berühmten Männern des Altertums zurückführen – macht ob seiner aufwändigen, CNC-gefrästen Aluminiumbehausung einen sehr hochwertigen Eindruck, was beim verlangten Einstandspreis von 9.000 Euro auch so sein sollte. Die rundum geschlossene Konstruktion ist Programm, da die Konstrukteure großen Wert darauf legen, jegliche Form von Ungemach von der Elektronik fernzuhalten. Das Gerät ist ausschließlich für den Betrieb mit MC-Abtastern vorgesehen, was in Anbetracht der Preisklasse durchaus nachvollziehbar ist: Wer betreibt schon ein MM an einer 9.000-Euro-Phonovorstufe? Für MCs gibt‘s zwei Eingänge auf der dicht bestückten Geräterückseite: einer davon ist mit XLR-Buchsen ausgestattet, einer mit Cinchverbindern. Ich wage allerdings zu behaupten, dass auch die Cinchbuchsen symmetrisch beschaltet sind. Zumindest kann ich keinerlei Durchgang zwischen ihrem „Massekragen“ und dem Masseanschluss messen. Auch das ergibt Sinn, weil die (oder der?) Cotys durchgängig vollsymmetrisch realisiert wurde. Dem tragen auch die Signalausgänge Rechnung, die gibt‘s nämlich nur im XLR-Format.
Bedienung
Das Gerät wird einerseits über vier Kippschalter rechts, andererseits über ein in erfreulich dezentem Schwarzweiß Touch- Display bedient.
Das Gerät ist vollsymmetrische konzipiert und will auch so angeschlossen werden Die Schalter erwecken die Maschine aus dem Standby-Modus (dafür braucht‘s etwas Geduld, das Gerät ist nach dem Einschalten ein paar Sekunden mit sich selbst beschäftigt, bevor es ein Lebenszeichen von sich gibt), schalten die Absolutphase des Ausgangssignals um, wechseln zwischen Stereo- und Monobetrieb und wählen einen der beiden Eingänge aus. Hier stimmt übrigens die Zuordnung noch nicht – die Eingangsbezeichnungen sind gegenüber der Rückwandbeschriftung vertauscht. Ich bin mir jedoch ganz sicher, dass sich das mittels eines Software- Updates einfach beheben lassen wird, auf der Geräterückseite gibt‘s einen USB-Anschluss für so etwas. Das Display informiert im Grundzustand über die Stellung der Kippschalter und zeigt die gewählte Verstärkung und die Eingangsimpedanz an. Was ich ein bisschen schade finde: Die Werte werden nicht individuell für die beiden Eingänge gespeichert, man muss sie also nach jedem Eingangswechsel nachjustieren. Das allerdings geht, Touchscreen sei Dank, ziemlich einfach. Es stehen acht Verstärkungen zwischen 50 und 70 Dezibel zu Wahl, bei der Eingangsimpedanz stehen 100,110, 120, 150, 200, 300, 400 und 900 Ohm zur Verfügung. Auch das mit dem Speichern eingangsspezifischer Werte ließe sich vermutlich mittels Firmware- Updates erledigen – vielleicht kommt da ja noch was.
Innere Werte Wer sich dem technischen Kern der Dinge nähern will, der muss das Bodenblech abschrauben. Darunter kommt eine flächendeckende, dicht mit allen möglichen spannenden Dingen bestückte Leiterplatte zum Vorschein. SMD-Komponenten und solche in klassischer Bauformen führen ein friedliches Miteinander. Die Stromversorgung übernimmt ein gekapseltes Schaltnetzteil, das die Betriebsspannungen sowohl für die analogen Schaltungsteile wie auch für die digitale Steuertechnik bereitstellt. Das funktioniert offenbar ausgezeichnet, die Störspannungsmessungen sprechen jedenfalls für eine sehr störungsarme Versorgung. Ein voluminöses Netzfilter sorgt dafür, dass keinerlei Störspannungen vom Schaltznetzteil zurück ins Netz gelangen können. Auch wenn die Verstärkerschaltung zum größten Teil mit integrierten Bausteinen realisiert wurde, gibt es an kritischen Stellen ein paar Ausnahmen. Die extrem rauscharme Eingangsstufe des Gerätes wird pro Kanal von vier hochweretigen diskreten JFETs gebildet, die weitere Verstärkung übernehmen „Achtbeiner“ der besseren Sorte. Bemerkenswert: Die sehr sehr selten eingesetzten vollsymmtrischen Leitungstreiber von Thatcorp, die die Ausgangsstufe des Gerätes bilden. Auch bei der RIAA-Entzerrung ließ man sich bei Thrax etwas Besonderes einfallen: eine LCR-Entzerrung. Dahinter verbirgt sich ein Korrekturnetzwerk, dass nicht nur, wie üblich, mit Widerständen und Kondensatoren arbeitet, sondern Spulen in der kritischen ersten Stufe einsetzt. So etwas gilt als die hohe Schule der Phonoentzerrung und erfordert sehr geringe Bauteiletoleranzen. Thrax setzt hier auf Ringkerninduktivitäten mit nanokristallinen Kernen, was so ziemlich das Feinste ist, was man in dieser Hinsicht für Geld und gute Worte bekommen kann. Auch bei der Kondensatorbestückung setzte man auf bestes Material: V-Caps, Silberfolientypen von Jantzen, Kupferfolienkondensatoren von Miflex – da wollte es augenscheinlich jemand wissen. Alle diese Bauteile sind vierfach vorhanden, was für einen konsequent vollsymmetrischen Aufbau der Schaltung spricht. Eine Armada von niedlichen kleinen SMD-Relais schaltet Betriebszustände direkt an passender Stelle im Signalweg um, auch bei den sonstigen passiven Komponenten gibt‘s Bemerkenswertes: Besonders stabile Tantal- Nitrid-Widerstände sind mir bis dato auch noch nicht untergekommen. So – genug des „Abnerdens“ über mehr oder weniger exotische Bauteile, jetzt muss das Gerät liefern. Der Hersteller beschreibt das Gerät als Spezialisten für besonders niederohmige und leise MCs. In diese Kategorie fällt das Lyra Atlas Lambda zumindest teilweise, auch wenn es mit einer Nennausgangsspanung von 0,56 Millivolt (bei 5cm/s) nicht mit Pegel geizt.
Klang
Stimmt schon: Ich hatte ein bisschen mit gemischten Gefühlen zu kämpfen, als ich das aktuelle Hörraum-Setup von der Accuphase C-57 auf die Thrax-Phono umbaute. Diese Sorgen zwerstreute der bulgarische „Zeigelstein“ jedoch zum Glück binnen kürzester Zeit. Mit dem quirligen, flirrigen 1977er Album „In Search Of A Dream“ des amerikanischen Schlagzeugers Alphonse Mouzon jedenfalls lieferte das Gerät einen Einstand nach Maß: Es klang überaus flüssig, direkt und aufgeräumt. Das Schlagzeug hatte vielleicht einen Hauch weniger „Impact“ als über die Accuphase, aber der Fluss und die Spannung waren da. Die betont ausgewogene MPS-Produktion von Joachim E. Behrendt will übrigens ein bisschen entdeckt werden und offenbart ihre komplexe Schönheit erste bei genauerem Hinhören. Das geht mit der Cotys ganz wunderbar, schafft sie doch insbesondere zwischen Mouzons „Tätigkeitsbereich“ und Philip Catherines filigraner Gitarrenarbeit einen wunderbaren Kontrast. Sie zeichnet kompakt und konzentriert, nicht ganz so ausufernd weiträumig wie die Accuphase. Fürs Eintauchen in komplexere Strukturen erweist sich die Thrax mit ihrer großen Selbstverständlichkeit als exzellentes Werkzeug, sie „erklärt“ förmlich die Musik, die da gerade läuft. Absolut zu überzeugen wusste die Cotys auch mit der bei mir zur Zeit unverzichtbaren „Gaucho“-Neuauflage aus dem Jahre 2023, die wirklich großartig klingt. Auch das demonstriert dieses Gerät nachdrücklich. „Babylon Sisters“ verfügt über eine tolle Bühne mit großartig aufgestellten Chorstimmen, das Ganze vibriert und swingt höchst unterhaltend. Das bleibt jetzt erst einmal so, mein Verlangen auf die Accuphase umzubauen ist mittlerweile verschmerzbar klein. Tolle Phonovorstufe!
Gemessenes: Die Thrax hinterlässt im Messlabor einen guten Eindruck. Auffällig ist der leichte Frequenzgangabfall am unteren Ende des Übertragungsbereiches (-3 Dezibel bei 25 Hz), den man als festes Subsonicfilter ansehen könnte. Die leichte Überhöhung im Grundtonbereich wird der LCR-Entzerrung geschuldet sein, aber die spielt sich auf unkritischem Niveau ab. Bei minimaler Verstärkung ergab sich ein Fremdspannungsabstand von 77,7 Dezibel(A), eine Kanaltrennung von 77,6 Dezibel(A) und ein Klirrfaktor von 0,13 Prozent, jeweils bei 5 mV am Eingang. Bei maximaler Verstärkung mit 0,5 Millivolt Eingangsspannung gab’s 67,9/67,8 Dezibel(A) und 0,035 Prozent. Das Gerät begnügt sich mit einer Stromaufnahme von 3,6 Watt.
Mitspieler Plattenspieler:
Tonarme:
Tonabnehmer:
- EMT JSD 6
- Lyra Atlas Lambda
Vollverstärker:
Lautsprecher:
- JBL 4301B
- Opera Quinta V2
Gegenspieler Phonovorstufen:
- Accuphase C-47
- Accuphase C-57
Gespieltes - Alphonse Mozon: In Search Of Dream
- Steely Dan: Gaucho
- Montgomery Brothers: Groove Yard
- Fleetwood Mac: Rumours
- The National: Trouble Will Find Me