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Einzeltest > Plattenspieler > 24.06.2025

Spaltrau

Plattenspieler aus Bergisch Gladbach? Immer gerne. Die 111.000-Einwohner- Stadt im Bergischen Land hat sich ja zu einer Art Metropole für alles entwickelt, das Schallplatten in Rotation versetzt.

Plattenspieler Transrotor Bellini TMD Schiefer

Am Anfang war Transrotor. Und zwar schon 1971, als der gelernte Landmaschinenmechaniker Jochen Räke seine heute weltberühmte Manufaktur in der Kölner Peripherie ins Leben rief. Mittlerweile leitet Sohn Dirk Räke die Firma, „Papa Räke“ ist aber immer noch im Unternehmen präsent und einsteiger Quell der Inspiration. Unlängst habe ich auf der High End in München ein langes Gespräch mit ihm geführt und einen sehr zufriedenen 84-jährigen Mann erlebt. Die Firma läuft, die ganze Mannschaft ist eine große glückliche Familie. Beneidenswert. Neben den äußerst beachtenswerten, vom hauseigenen Konstrukteur Lars Hornung (der auch schon seit einer gefühlten Ewigkeit mit im Team ist) erdachten neuen Modellen bilden weniger spektakuläre, aber mit viel Liebe zum Detail bis zur Perfektion durchentwickelte Geräteklassiker das Rückgrat der Transrotor-Produktfamilie. Beim Modell „Bellini“ handelt es sich zweifellos um ein solches. Es ist in der etwas bodenständigeren Ecke der Produkthierarchie angeordnet und von daher noch in Erreichbarkeit von Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit regelmäßiger Arbeit bestreiten müssen.  

Der Bellini
 
Der Bellini ist ein so klassischer Plattenspieler wie nur möglich. Er fußt auf einer rechteckigen Grundplatte, die Tellerlager und Tonarm trägt. Der Antriebsmotor des riemengetriebenen Gerätes steht frei in einer Aussparung hinten links, um maximale Entkopplung vom Gerät zu gewährleisten. Die konsequente Separation zwischen Antrieb und Laufwerk ist ohne Frage Luxus, denn einerseits läuft der Motor extrem ruhig und andererseits ist ein nennenswerter Geräuscheintrag in die Plattenspielerzarge kaum möglich, besteht sie in diesem Falle doch aus einem der kompromisslosesten Materialien überhaupt, nämlich aus Schiefer. Durch seinen ganz besonderen geschichteten Aufbau absorbiert das Material viel besser als praktisch jeder andere Stein, seine hohe Dichte (mit rund 2,8 Gramm pro Kubikzentimeter ist diese höher als die von Aluminium) tut ein Übriges. Transrotor setzt hier auf eine „spaltraue“ Oberfläche, will heißen: Die Struktur der Grundplatte entsteht, wenn ein großer Block in Platten gewünschter Dicke aufgebrochen wird und nicht durch nachträgliche Bearbeitung. Räkes beziehen ihren Schiefer aus dem Sauerland vom Lautsprecherhersteller Fischer & Fischer; die in der dortigen Grube anzutreffende Materialqualität ist in Sachen Homogenität fast einzigartig auf der Welt. Und so ist jede Zarge eines Bellini Schiefer auch immer ein Schnappschuss von Vorgängen, die vor vielen Millionen von Jahren im Erdinneren passiert sind.  

Antrieb und Teller 
Transrotor kombiniert dieses einzigartige Matrial im firmentypischen Stil mit Komponenten aus feinstpoliertem Aluminium.


Der Studio-Tornarm kann mit mehreren Gegengewichten bestückt werden
Das beginnt bei den drei extrem feinfühlig in der Höhe verstellbaren Gerätefüßen, mit denen das Gerät in die Waagerechte verbracht werden will. Dem Unterbau kommt dabei eine hohe Bedeutung zu, die einzige Entkopplung bilden in die Füße eingelegte O-Ringe. Die Platte ruht auf einem schweren Aluminiumteller, in dessen Zentrum der berühmte „TMD“-Lagerblock von Transrotor steckt. Dabei handelt es sich um eine zwei teilige, magnetisch ge- und entkoppelte Konstruktion, die einerseits für eine kraftschlüssige Verbindung zwischen Antriebsriemen und Plattenteller sorgt, andererseits aber ein gewisses Maß an Entkopplung bietet, um etwaige unerwünschte Schwingungen des Riemenantriebs zu kompensieren. Oben im Teller ist eine Acrylmatte eingelassen, die den Kontakt zur Schallplatte besorgt. Experimente mit zusätzlichen Tellermatten sind erlaubt, aber nicht unbedingt erforderlich; der Aufbau hat sich seit vielen Jahre bewährt und bedarf keiner zusätzlichen Tuningmaßnahmen. Angetrieben wird per Rundriemen. Auf dessen nahtlose Fertigung legt der Hersteller besonderen Wert, tatsächlich möchte auch niemand den Rundlauf eines so aufwändigen Antriebskonzeptes durch eine kleberbedingte Verhärtung an einer Stelle des Antriebsriemens riskieren. Die Kraft kommt von einem in einer massiven Aluminiumdose verbauten Synchronmotor. Jener dreht relativ schnell und arbeitet deshalb mit einem kleinen Motorpulley. Jenes verbirgt sich neuerdings unter einer Aluminiumabdeckung, so dass man von der kompletten Antriebskontruktion fast nichts sieht – das kommt der klassischen und schlichten Optik des Gerätes zweifellso zugute. Für die standesgemäßen Ansteuerung des Motors sogt die Motorsteuerung „Konstant M1 Reference“, bei der die beiden Motorphasen getrennt voneinander elektronisch erzeugt werden, deren Frequenz ist natürlich fein einstellbar. Das erspart zum einen das umlegen des Reimens beim Drehzahlwechsel und erlaubt zum anderen die  gelegentliche Nachjustage der Geschwindigkeit bei Riemenverschleiß. Viel konsequenter kann man einen Riemenantrieb nicht bauen, deshalb macht Transrotor das schon seit vielen Jahren genau so.   

Tonarm 
Bei der Tonarmbestückung der Maschine gibt es Optionen. Unser Testgerät kam mit dem kleineren der beiden hauseigenen Arme, der Neun-Zoll-Version des TRA Studio. Dessen zwölf-Zoll-Variante verrichtet schon seit Jahren auf dem Massimo Nero seinen Dienst, der als unbestechliches Arbeitsgerät aus unserem Hörraum nicht mehr wegzudenken ist. Wenn Sie einen allürenlosen, problemlos mit einer Vielzahl von Abtastern kombinierbaren mittelschweren Tonarm suchen – der TRA Studio ist das Mittel der Wahl. Der klassisch kardanisch gelagerte Arm verfügt über ein gerades Aluminiumrohr, ein für die Azimutverstellung drehbares Headshell und ein feinfühlig verstellbares magnetisches Antiskating. Eine Höhenverstellung gibt es auch, der Arm lässt sich immerhin mit zwei Madenschrauben in der Basis verriegeln – das sorgt für mehr Kippsicherheit als die landläufig übliche einzelne Schraube. Das Gegengewicht ist mehrteilig; wer mit dem dicken zylindrischen Edelstahlzylinder nicht hinkommt, der kann dahinter Zusatzmassen aufschrauben. So lassen sich auch ordentlich schwere Abtaster unproblematisch ausbalancieren.   

Abtaster 
Tonabnehmer? War in unserem Paket auch enthalten. Transrotor bestückte den TRA Studio mit dem Modell „Figaro“. Auch das ist ein alter Bekannter und wird in England bei Goldring exklusiv für die Bergisch Gladbacher gefertigt. Es handelt sich um ein klassisches Low-Output-MC mit einem speziellen Line-Contact-Diamanten, der Korpus besteht aus Magnesium. In Verbindung mit dem Plattenspieler gibt’s den Abtaster für subventionierte 2240 Euro, und dafür dürfte es nicht ganz leicht sein, deutlich Besseres zu finden. Ein Wort noch zur Abdeckhaube, die zum Lieferumfang gehört: Der dickwandige und makellos gefertigte Deckel ist die wohl kompromissloseste Lösung, die ich je für dieses Problem gesehen habe. Was nicht zuletzt an den cleveren, einstellbaren Scharnieren liegt, mit denen sich der Deckel für eine perfekt plane Auflage justieren lässt. Brauchen Sie nicht? Kein Problem, das Ganze ist mit wenigen Handgriffen zu entfernen.  

Klang 

Und ja, wir heben den Bellini TMD Schiefer ohne Haube gehört – wir wollten keinerlei potenzielle Störungen durch die große Membran riskieren. Das Gerät viel dann auch sofort durch seine extrem entspannte und unerschütterliche Gangart auf – alles Andere hätte mich zugegebenermaßen auch gewundert. Im direkten Vergleich zum Massimo Nero wirkt er noch etwas mehr „laid back“ und wirkt eine Spur wärmer. Die Unterschiede sind nicht groß und ich würde sie in den Bereich der Geschmacksfragen einsortieren. Das perfekte Timing der Kombination und ihre Fähigkeiten, auch kleinste musikalische Nuancen zu Gehör zu bringen lassen den Schiefer- Bellini als einen extrem souveränen und erwachsenen Dreher erscheinen. Ich habe mich mit großem Vergnügen einmal mehr durch den ausgezeichneten Transrotor- Sampler „Favorites“ gehört, der die Fähigkeiten des Drehers sehr eindrucksvoll zur Geltung bringt. Insbesondere die fein ziselierte Reproduktion von John Scofields „Do Like Eddie“ wusste zu beeindrucken, auch das zum Heulen schöne „Lamento“ von Fiona Grond war ein echtes Highlight. Gleiches kann auch für John Coltranes traumhaftes Werk „Ballads“ gesagt werden, dessem Wiedergabe über den Transrotor wirklich anfasst. Meine sehr geschätzten schwedischen Atmosphärenrocker von Kungens Män erledigt der Bellini Schiefer erdig, überaus unerschütterlich im Bass und wunderbar geschlossen und stimmig. Da bleiben keine Fragen offen – toller Plattenspieler. 


Fazit

Die Kombination aus bewährter Technik und einer unerschütterlichen Schieferbasis sorgt für ein wunderbar entspanntes, tiefgründiges und feingliedriges Musikerlebnis – eine rundum wunderbare Maschine.

KategoriePlattenspieler
ProduktBellini TMD Schiefer / TRA Studio 9“ / Figaro
HerstellerTransrotor
Preis13650 Euro
Getestet vonHolger Barske
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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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