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Einzeltest > Plattenspieler > 24.10.2025

Die Kunst des Bremsens

Teures HiFi aus der Schweiz? Das gibt es zuhauf und steht gerne in einer Reihe mit einschlägig bekannten Schwergewichtsprodukten der üblichen Verdächtigen. Der zurückhaltende, dezente Stoff allerhöchster Güteklasse, der jedoch ist das Salz in der audiophilen Suppe. Wie dieser wunderbare Plattenspieler.

Plattenspieler Thales Elegance

Fallen wir mit der Tür ins Haus: Das hier zu begutachtende Kunstwerk kostet mit Tonarm und Tonabnehmer 28.000 Euro. Das ist weit außerhalb der Reichweite der allermeisten HiFi-Fans und trotzdem eine wohltuende Ausnahme von der üblichen High-End-Gigantomanie. Solcherlei Dinge würde Konstrukteur Michael Huber, seines Zeichens Eigner von Thales Audio, wohl auch weit von sich weisen. Der Mann verfügt über ein feines, leises und bedachtes Auftreten und man merkt im Umgang mit ihm ganz schnell, dass sich sein Tun auf die feineren Dinge im Leben konzentriert und nicht aufs marktschreierische Big Business. Nichts könnte davon so überzeugendes Zeugnis ablegen wie seine neueste Plattenspielerkreation namens „Elegance“. Der Name ist dabei absolut Programm, denn Eleganz dominiert jeden der gestalterischen und konstruktiven Aspekte des Gerätes. Die Anmutung des Gerätes ist der des Vorgängermodells „TTT-C“ nicht unähnlich, das bereits im Jahre 2013 bei uns zu Gast war. Hüben wie drüben handelt es sich um ein per Riemen angetriebenes Modell mit Akku-Stromversorgung, doch damit erschöpfen sich die Ähnlichkeiten denn auch schon weitestgehend.   

Kernstück des Elegance ist sein Antriebssystem. Das schnöde „Riemenantrieb“ zu nennen ist schon fast eine Beleidigung, tatsächlich hat Huber beim Elegance schon fast ein Kunstwerk geschaffen, dass die Kraft eines Motors letztlich über einen blauen Kunststoffriemen auf einen Innenteller überträgt.


Der Arm erlaubt eine praktisch perfekte Korrektur des tangentialen Spurfehlwinkels
Es ist der Versuch, die Meriten seines Fliehkraftreglers, den er beim hauseigenen Modell „Reference“ einsetzt, auf elektronischem Weg nachzubilden. Auf der Hersteller- Webseite thales.swiss gibt es unter der Rubrik „Technologie“ ein sehr interessantes Video, aus dem die Funktionsweise besagten Fliehkraftreglers hervorgeht. Im Prinzip handelt es sich um eine trickreiche drehzahlabhängige Wirbelstrombremse, die die Riemengeschwindigkeit völlig ohne elektronische Hilfsmittel konstant hält. Für den Elegance kam die aufwändige Lösung nicht in Frage, wohl aber eine daran angelehnte, die mit ganz wenig Elektronik auskommt. Von außen sieht man von alledem nichts. Der Elegance präsentiert sich als unaufdringliche, mit 17 Kilogramm jedoch erstaunlich schwere Konstruktion aus stahlblau eloxiertem Aluminium. Was in Verbindung mit den kupferfarbenen Details und dem eigens für diesen Plattenspieler ebenfalls in einer kupferfarbenen Variante gefertigten Tonarm übrigens sehr geschmackvoll aussieht. Der äußerst massive Teller des Eleganze ruht auf einem sehr präzise passenden Innenteller: das Aufsetzen respektive Abnehmen des Tellers ist ob der minimalen Maßtolerenzen übrigens gar nicht so einfach. Ein Geheimnis des Elegance-Antriebs offenbart sich in Gestalt von zweimal drei zylindrischen, in die Zarge eingelassenen Neodymmagneten. Eine solche Gruppe findet sich links vorne, eine rechts hinten, beide unterhalb des Tellerrandes angesiedelt. Diese Magnete sorgen in Verbindung mit dem knapp darüber rotierenden Plattenteller für ein nennenswertes Bremsmoment. Was auf den ersten Blick abwegig erscheint, ergibt bei näherer Betrachtung absolut Sinn: Ein beliebig leicht laufender Teller ist, auch wenn eine besonders leichtgängige Lagerung von vielen Herstellern propagiert wird, eben nicht das Mittel der Wahl, insbesondere bei einem Riemenantrieb. Die auch beim Thales angewendete „definierte Hemmung“ sorgt dafür, dass der Motor ständig gegen eine definierte Last läuft, wodurch die Riemenspannung konstant bleibt und die Tellerdrehzahl nicht um den Nennwert herum oszilliert, was bei „ungebremsten“ Antrieben leicht passieren kann. Dass sich diese Erkenntnis erst bei so wenig Plattenspielerherstellern durchgesetzt hat erstaunt mich immer wieder.   

Das drehzahlabhängige Bremsmoment erlaubt Michael Huber ein zweites segensreiches Detail bei seinem Antrieb: den Einsatz eines weitgehend frei laufenden Gleichstrommotors. In aller Regel ist so etwas keine gute Idee, weil dieser Motorentyp seine Drehzahl lastabhängig ändert. Weil er hier aber gegen eine praktisch konstante Belastung läuft, muss man sein Tun nur in sehr geringem Maße korrigieren. Beim Elegance besorgt das eine behutsam eingreifenden Elektronik, die ihren Einfluss über die Beleuchtung hinter den beiden Drehzahlwahltastern kundtut. Grün oder rot signalisieren Aktivität der Regelung, weiß bedeutet keinerlei Eingriff in die Tätigkeit des Antriebs. Sie werden feststellen, dass die Farben nur beim Start des Laufwerks und beim Aufsetzen des Arms auf den Tellers kurz fluktuieren, dann herrscht über die gesamte Plattenseite ein beruhigendes Weiß vor: Antrieb und Wirbelstrombremse befinden sich im perfekten Gleichgewicht. Der Motor des Elegance verrichtet, und das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt, den man an diesem Laufwerk anbringen kann, seine Arbeit nicht ganz geräuschlos. Das mag auch mit dem Umstand zusammenhängen, dass seine Achse horizontal orientiert ist und der Riemen deshalb zweimal umgelenkt werden muss, um den Subteller antreiben zu können. Von größerer Bedeutung ist das nicht, bei laufender Musik hört man davon eh nichts mehr, aber es stört halt etwas den rundum perfekten Eindruck dieses Drehers. Mittels eines Kippschalters hinten rechts auf der Zarge kann man ürigens die Arbeitsweise der Ladeelektronik für den eingebauten Akku bestimmen. Die Position „Auto“ dürfte dabei fast immer die richtige sein. Dabei wird die Ladeelektronik – genügend Akkuspannung vorausgesetzt – im Spielbetrieb komplett abgeschaltet. Erst wenn der Teller eine Minute lang steht, wird der Akku nachgeladen. Eine zweifarbige Leuchtdiode informiert über den Betriebszustand. Das geht alles komplett unauffällig und man muss sich damit im Betrieb praktisch nicht auseinandersetzen.   

Tonarm und System 
Auch wenn der Elegance ohne Tonarm erhältlich ist, macht eine Kombination mit dem wunderbaren hauseigenen „Simplicity II“ Sinn.

Das EMT JSD 6 erweist sich als höchst potenter Spielpartner für die Kombination
Ihn haben wir beim Test des TTT-C bereits ausführlich vorgestellt, deshalb hier nur die Basics: Es handelt sich um einem spurfehlwinkelkorrigierten Drehtonarm, bei dem das Headshell drehbar gelagert ist. Seine Stellung relativ zur Rille wird von den zwei nicht ganz parallelen Tonarmrohren bestimmt, die unabhängig voneinander drehbar sind. Das Resultat ist eine um nur 0,008 Grad von der perfekten Tangente abweichende Abtastung – eine auch nach all den Jahren sehr beeindruckende Konstruktion, die in der Praxis völlig problemlos funktioniert und wie jeder andere Drehtonarm zu bedienen ist. Der Tonabnehmer wird seitlich über ein mit einer Schwalbenschwanzführung versehenes Adapterplättchen ins Headshell eingeschoben und mit einer winzigen Madenschraube fixiert. Zum Elegance-Gesamtpaket gehört ein Tonabnehmer vom Typ EMT JSD 6. Dabei handelt es sich um einen Klassiker aus dem EMT-Programm: Michael Huber ist seit geraumer Zeit ja ebenfalls Eigentümer von EMT. Beim JSD 6 handelt es sich um ein MC mit ungewöhnlich hoher Ausgangsspannung (ein Millivolt bei 5 cm/s). Es verfügt über einen „SFL HP“ getauften Diamanten, der an einem Bor-Nadelträger sitzt. Das Magnetfeld der weitgehend offenen Generatorkunstruktion besorgt ein vergoldeter AlNiCo-Magnet, das Gehäuse des zehn Gramm schweren Abtasters besteht aus Aluminium. Einzeln schlägt es mit 3.120 Euro zu Buche, Im Paket mit Laufwerk und Tonarm reduziert sich der Aufpreis auf 2.500 Euro. Gewiss, das ist immer noch viel Geld, aber nach den ersten Tönen aus der Kombination tendiert die Lust, einen anderen Abtaster zu probieren augenblicklich gen null.  

Klang 
Die Tahles-Kombi ist eine dieser raren Konstruktione, die viel mehr können, als ihr unspektakuläres Äußere vermuten lässt. Ich wage gar zu behaupten, dass sich ihr grandioses Timing und ihre vollkommen lockere Natürlichkeit vor keinem noch so überkandidelten Plattenspielerboliden verstecken muss. Die Wiedergabe mit dem Thales atmet, sie vibriert, die begeistert und sie lebt, wie ich es selten erlebt hab. Hier wird das Zusammenspiel der Akteure in einem Top- Jazz-Ensemble tatsächlich physisch erlebbar und damit steigt auch das Verständnis für solche Musik. Wir widmen uns der unglaublich großartigen 45er Jubiläumsausgabe von Wishbone Ashs „Argus“ (über die Nachbar Lars sich im Rezensionsteil dieses Heftes übrigens intensiv auslässt). Der Klassiker tönt voll, warm, lässig und perfekt durchhörbar, er erschließt sich auch dem Unvorbereiteten, warum der zweistimmige Gitarrensound dieser Band damals so einmalig war. Für mich ist die Thales Kombi ein kaum zu schlagendes Werkzeug zur musikalischen Verständnisfindung. Und ein größeres Kompliment kann ich einem Plattenspieler nicht machen.   

Mitspieler 
Phonovorstufen: 
  •  Accuphase C-47 
  •  Accuphase C-57 

Vollverstärker:
  •  Soulnote A-3 
Lautsprecher: 
  •  JBL 4301B 
  •  Opera Quinta V2 

Gegenspieler 
Plattenspieler: 
  •  Transrotor Massimo Nero / Studio 9“ / Figaro   

Gespieltes 
  • Freddie Hubbard / Stanley Turrentine: In Concert 
  • Wishbone Ash: Argus 50th Anniversary 45rpm 
  • LA4: Live At Montreux 
  • Monolord: Rust


Fazit

Dieses Kunstwerk von einem Plattenspieler ist eine ungeheuer ausdrucksstarke Musikmaschine, die ihre zurückhaltende Physis mit überragender klanglicher Performance krönt. Ganz große Analogkunst!

KategoriePlattenspieler
ProduktElegance / Simplicity II / EMT JSD 6
HerstellerThales
Preis22800 Euro
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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