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Einzeltest > Übertrager > 14.10.2025

Traum statt Wahn

Die Firma Silvercore aus Leipzig hat eine treue Fanbase. Zu Beginn mit Übertragern als Kerngeschäft, in der Zwischenzeit vor allem mit Verstärkern. Wird sich das mit dem Wahnfried MC-Übertrager wieder ändern?

MC-Übertrager Silvercore Wahnfried Series MC

Mit dem MC-Pro Übertrager hatte Mr. Silvercore Christof Kraus viele Jahre lang ein Spitzenmodell im Programm. Doch nun hat er dem MC-Pro einen Neuen vor die Lötnase gesetzt. Doch wieso nennt er ihn Wahnfried? Kraus ist Franke, selbst wenn er schon seit langem in Leipzig lebt, und so war der heilige Berg der Wagnerianer gefühlt nie weit. Anders formuliert lag es nahe, sich im Wagner- Kosmos zu bedienen und da kam ihm Wahnfried gerade recht – Kraus provoziert auch gerne einmal. Wagner übrigens sagte über sein Traumhaus: „Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt“. Da wollen wir doch hoffen, dass Kraus mit diesem Übertrager seinen Frieden gefunden hat. Möglich wäre es.  

Gipfelgedanken 
Warum hat Christof Kraus überhaupt ein neues Topmodell entwickelt? Nun, unsere Branche steht nicht still und was vor Jahresfrist noch obenauf war, muss es bald darauf nicht mehr sein. Will sagen, andere Hersteller machen auch schöne Übertrager und Stillstand wäre Rückschritt. Also hat sich Kraus ausführlich Gedanken darüber gemacht, was er an seinem Spitzenmodell verbessern könnte. Sein Augenmerk richtete sich dabei vor allem auf den sogenannten Wickelraum. Wickelraum? Nein, wir sind nicht bei den Säuglingen unterwegs. Der Wickelraum ist die physische Ausgestaltung des eigentlichen Übertragers. Häufig sind die Kerne und damit auch die Wickelverhältnisse so klein, dass zwischen den Drähten kein Abstand mehr ist, schlimmer noch, dass sie sich sogar kreuzen. Das geht auf dem Niveau eines solchen Übertragers natürlich gar nicht. Wir haben es hier mit feinsten, sehr leisen Signalen und auch mit Magnetismus zu tun. Dass sich die Drähte also nicht kreuzen, sondern sauber nebeneinander liegen, ist nicht nur wünschenswert, es ist notwendig, um Interferenzen zu verhindern. Primär- und Sekundärwicklung des Wahnfried sind einlagig in unterschiedlichen Wicklungsräumen realisiert und bauen daher praktisch keine Kapazitäten auf. So kann Kraus auch einen dicken Draht verwenden, was den Innenwiderstand senkt und ebenfalls wünschenswert ist. Die Drähte werden parallel und gleichseitig gewickelt – das ist alles andere als Standard. Die parallel oder seriell beschalteten Wicklungen ermöglichen ein Übertragungsverhältnis von 1:10 oder 1:20.  

Kerngedanken 
Kraus sagt: „Der theoretisch ideale Übertrager besitzt möglichst keinen Wicklungswiderstand und ein Kernmaterial, das geringste magnetische Verluste aufweist“. Also verwendet er schon lange keine anderen Kerne mehr als solche aus nanokristallinen Werkstoffen und davon keine Kleinen. „Nano“, wie es der Einfachheit halber auch genannt wird, ist ein Verbundmaterial auf Eisenbasis mit unterschiedlich gewichteten Anteilen aus Silizium, Baron, Niob oder Kupfer. Kraus nimmt nicht irgendwelche Kerne, sondern die aus seiner Sicht besten und auch teuersten – aus Deutschland. Für den Wahnfried wurden sie noch einmal deutlich größer als bisher konfiguriert.  

Drahtseilakt 
Es gibt vom Wahnfried zwei Versionen:


Bei den Anschlüssen ist Christof Kraus absolut humorlos: XLR oder nichts
eine wird mit versilbertem Kupferdraht gewickelt, die andere mit hochreinem Silber. Für den ersten setzt Kraus sogenanntes MilSpecWire ein. Das ist ein versilberter Kupferdraht, der für die Luft und Raumfahrt spezifiziert ist und höchsten Anforderungen genügen muss. Anders als bei billigen Drähten dieser Art ist er nicht mit einer chemisch aufgebrachten dünnen Silberschicht und einer unedlen Zwischenschicht versehen, was zu rauem, nervösem Klang führt. Nein, dieser auch Cu AG 20 genannte Draht hat bis zu 20 % Silberanteil, der thermisch aufgebracht wird. Dadurch weist er ein viel breiteres Übertragungsverhalten als vergleichbare Kabel auf. Entdeckt hat Kraus diesen Stoff vor vielen Jahren, als er das Luftfahrtmuseum in Fürstenfeldbruck bei München besuchte. Der Technikbegeisterte inspizierte ein dort ausgestelltes Space Shuttle. Dabei fiel ihm ein Kabel ins Auge das, wie man ihm sagte, für einen Frequenzbereich von 10 Hz-100 kHz spezifiziert ist. Das war vor 20 Jahren, der Rest ist Silvercore Geschichte. Sein 4n Reinsilberkabel lässt er sich fertigen. Reinsilber ist deutlich brüchiger als das billige und mit unreinem Material versetzte Feinsilber, das in der Textil- und Schmuckindustrie verwendet wird. Je kleiner der Übertragerkern ist, desto ekliger ist dieses Kabel zu wickeln und desto mehr Bruch gibt es. Maschinen eignen sich dafür sowieso nicht, hier ist Handarbeit angesagt. Zum Glück verwendet Kraus für den Wahnfried große Kerne, was die Arbeit erleichtert. Die Konfiguration und der Preis des Reinsilbers, der durch den Ukrainekrieg ebenfalls deutlich gestiegen ist, sorgen für den satten Preisaufschlag gegenüber der Standardversion.  

Abschirmung 
Eine Abschirmung scheint erst einmal eine zutiefst sinnvolle und wichtige Sache zu sein, und sie ist es im Prinzip auch. Wenn aber nichts hinein kommt, kann auch nichts hinaus. Will sagen, eine MU-Metall- Abschirmung für einen Übertrager ist sehr sinnvoll, um Störungen auf ihn effektiv zu unterbinden. Sitzt das Mu-Metall allerdings zu dicht am Kern, kann es eine Art Rücksprung von Interferenzen aus dem Übertrager geben, die ja nun nicht nach draußen gelangen können. Kraus verwendet deshalb Eisen, das permeabler ist.  

Allgemeines 
Bei der Wahl eines Übertragers muss man sich üblicherweise darüber im Klaren sein, welche Tonabnehmer man verwenden möchte, denn Übertrager werden meist mit genau einem Übersetzungsverhältnis gewickelt, das grob gesagt bestimmt, ob man nieder- oder hochohmige Systeme verwenden kann. Feintunen kann man das in einem kleineren Rahmen mit Anpassungswiderständen, was ich suboptimal finde. Oder durch Umschalten zwischen unterschiedlichen Übersetzungen. Silvercore erweitert die Möglichkeiten genau darum, man kann im Fall des Wahnfrieds zwischen 1:10 und 1:20 wählen. Diese Möglichkeit bieten viele Hersteller, wie sie sie umsetzen ist unterschiedlich, aber das führt hier zu weit. Wer Umschalter im Signalweg nicht mag und keine Lust hat, zum Umschalten den Deckel abzuschrauben, dem empfiehlt Christof Kraus, sich zwei Übertrager zu kaufen. Hören kann man den Umschalter meiner Meinung nach nicht. Die Silvercore- Angabe, dass man mit dem Wahnfried MC- Tonabnehmer mit einer Ausgangsspannung zwischen 0,15 und 0,75 μV sowie einem Innenwiderstand zwischen 12 und 40 Ohm verwenden kann, entspricht nicht ganz meiner Erfahrung. Es lassen sich auch Abtaster wie mein Koetsu Urushi Black mit seinem 5 Ohm hervorragend betreiben.  

Praxis und Klang 
Wie schon angedeutet, sind die Zusammenhänge zwischen dem Übertragungsverhältnis eines Übertragers und dem Innenwiderstand eines MC-Tonabnehmers weit komplexer, als man glauben mag. Ich möchte keine Rechenbeispiele anführen, nur so viel: der Lautstärkeunterschied mit meinem Koetsu Urushi Black an der 1:10 oder der 1:20 Übersetzung des Wahnfried MC sind sehr gering. Die klanglichen Unterschiede sind es nicht, und wie erwartet, und auch rechnerisch nachvollziehbar, rastet der Klang bei 1:20 ein. Auf der Platine findet man einige Widerstände. Auffällig ist ein sehr edles Exemplar, dass satte 12 Euro im Einkauf kostet und zur Impedanzanpassung dient. Die anderen führen „HF“ im Eingang- und /oder im Ausgang ab. Kraus empfiehlt „dringend“, bereits das Tonarmkabel symmetrisch mit XLR zu verkabeln. Bei mir ist das nicht der Fall, ich muss Adapterkabel verwenden. Ich würde XLR-Buchsen an der Plattenspielerzarge bevorzugen, denn diesen einen Übergang mehr finde ich im Vergleich zu den recht schweren XLR-Steckern am Tonarmkabel verschmerzbarer. Wir haben zwei Versionen bekommen – die mit Cu AG 20 aufgebaute im Gehäuse und die mit 4N Silberkabel gewickelte als Einbauplatine. Beide haben einen sehr souveränen Grundklang, entspannt, geschlossen mit wunderschönen Klangfarben. Der Unterschied zwischen beiden ist eindeutig. Der „Kupferne“ wirkt vielleicht etwas intimer und ein klein wenig kompakter im Klangbild. Der Silberne fordert etwas mehr Aufmerksamkeit vom Hörer, gibt ihm aber auch mehr. Die Töne schwingen noch länger ein und aus, dazu bringt der Silberne eine Extraportion Frische, Auflösung und Klangfarben ins Spiel. Wie beim versilberten Kupfer hat nur bestes Reinsilber diese Qualitäten mit dem edlen, seidigen Touch. Vergleicht man die beiden Versionen nicht, macht der „normale“ Wahnfried einen fantastischen Job und deshalb habe ich auch die meiste Zeit mit ihm gehört.  

Musik 
Walt Dickerson ist mir der liebste Jazz Vibraphonist geworden. Seine Art, die Töne mit großen Filzen nur kurz anzuspielen und lange nachschwingen zu lassen, ist einmalig und ich höre genau, ob eine Komponenten dem im Weg steht oder nicht. Der Wahnfried macht die Tür weit auf. Und hinter der Tür steht, besser sitzt, Johnny Cash und singt am Ende seines Lebens von seinem Leben. Dank des Wahnfrieds bin ich zusammen mit Cash und Produzent Rick Rubin im Raum und werde ganz in die Musik hinein gezogen. So entwickelt zum Beispiel die Orgel auf The Mercy Seat eine Präsenz, wie ich sie bisher noch nicht erlebt habe. Und wer von Cashs Stimme nun keine Gänsehaut bekommt, der braucht auch keinen Wahnfried mehr. Die Schönheit von Franz Schuberts Unvollendeter findet in Carlos Kleibers Dirigat ihre Vollendung. Mit dem Wahnfried hört man zeitlose Schönheit in einer Aufführung, wie es sie nie wieder geben wird, wir sie aber jederzeit zu Hause erleben können.   

Mitspieler 
Plattenspieler: 
  •  Schroder TG 
Tonarm: 
  •  Schroder CB Ebony 
Vorverstärker: 
  •  Air Tight ATC-1 
Endverstärker: 
  •  Air Tight ATM-4 
Lautsprecher: 
  •  De Vore Fidelity O/Baby 

Gegenspieler 
Tonabnehmer: 
  •  Koetsu Urushi Black  

Gespieltes
  • Franz Schubert: Unvollendete / Carlos Kleiber 
  • Walt Dickerson: A Sense of Direction 
  • Johnny Cash: American Recordings Vol. III – Solitary Man 
  • Oscar Peterson: Live In Bremen 1961 
  • Talking Heads: Remain in Light   


Fazit

Christof Kraus hat schon immer gute Übertrager gebaut. Mit dem Wahnfried Series MC hat er sein Werk gekrönt und sich einen Platz im Übertrager-Olymp auf dem Wagnerhügel gesichert.

KategorieÜbertrager
ProduktWahnfried Series MC
HerstellerSilvercore
Preis4000 Euro (Kupferversion) / etwa 8.000 Euro (Silberversion)
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Logo LP:Magazin

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Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


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