Dass wir in immer hektischeren Zeiten mit steigender Umdrehungsgeschwindigkeit bei so ziemlich allen Dinge des täglichen Daseins leben, dürfte sich herumgesprochen haben. Da ist es doch schön, wenn Leute mal einen Gang rausnehmen und das Rad der Zeit ein bisschen zurückdrehen wollen.
Tonabnehmer OTTA Mandolin
Einleitendes
Nun ist es ja nicht so, dass sich die analoge Musikwiedergabe heutzutage nur mit ihresgleichen auseinandersetzen muss, vielmehr gilt es ja auch noch, einen Gegenpol zur gar nicht mehr so revolutionären digitalen Welt zur definieren. In vielen Fällen hat sich das analoge Klangideal tatsächlich an die Möglichkeiten und Vorlieben der digitalen Welt angepasst, was deutlich wahrnehmbare Folgen für die Tonabnehmerentwicklung hatte und hat: Der Trend zu immer mehr Auflösung und Direktheit ist ungebrochen. Das hat zweifellos seinen Reiz und entspricht der modernen Deutungshoheit von „korrekter“ Musikwiedergabe, es muss aber nicht zwangsläufig jedermanns Sache sein. Und deshalb gibt’s jetzt eine Tonabnehmermarke namens OTTA. Die Abkürzung steht für „Over The Top Analogue“ und fußt auf dem Bestreben zweier Männer, ein Gegengewicht zu „höher, schneller, weiter“ im Tonabnehmersegment zu schaffen. Der eine von den beiden ist Eckhard Derks, seines Zeichens Betreiber der TCG GmbH, einem alteingesessenen HiFi-Vertrieb bei uns. Unter anderem für die Distribution von Audes, Thivan Labs und Skyanalog zuständig. Der andere ist der Amerikaner Philip O’Hanlon, der in den USA den Vertrieb „On A Higher Note“ betreibt. Das OTTA-Portfolio wird mittelfristig drei Tonabnehmermodelle umfassen, alles MCs mit einer besonderen klanglichen Ausrichting. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist erst einmal das dem Vernehmen nach kleinste Modell „Manolin“ erhältlich, dass man bei uns für 2.000 Euro erstehen kann und um das es hier auch gehen soll. Mittelfristig soll’s unter dem Label OTTA jedoch nicht nur Abtaster geben, sondern auch Headshells und MC-Übertrager.
Das Mandolin
Allen OTTA-MCs gemeinsam, dass sie sich mechanisch am unverwüstliche Denon DL- 103 orientieren, soll heißen:
Geometrisch orientiert sich das OTTA am Denon DL-103, auch bei den Anschlusspins Alle wichtigen Abmessungen entsprechen denen des japanischen Klassikers, so sind zum Beispiel auch die Anschlusspins gleich dimensioniert und angeordnet. Was in bestimmten, ursprünglich fürs Denon konzipierten Einbausituationen ein großer Vorteil sein kann. Eines allerdings hat man Bei OTTA schonmal besser gemacht als beim Klassiker: Die Anschlusspins sind ordnungsgemäß farblich codiert. Eine Unart japanischer Abtaster hat man jedoch beibehalten: die Montage mittels durchgehender Schrauben und separater Muttern. Ich bitte um Entschuldigung, aber: Heutzutage gibt es keinen vernünftigen Grund mehr dafür, Anwender zu dieser Fummelei zu zwingen. In ein Abtastergehäuse zwei M2,6-Gewinde zu schneiden, sollte sicher beherrschte Technik sein und macht dem Anwender das Leben deutlich leichter. Aber vielleicht gehören skurrile Details wie dieses bei solche einem Tonabnehmer auch zum Prinzip.
Gehäuse Das Mandolin steckt in einem fein CNC-gefrästen Gehäuse aus rotem Sandelholz, das in der Realität tief dunkelbraun, fast schwarz ist. Der Legende nach gibt es da einen sehr alten, sehr langsam getrockneten Baumstamm, der für diesen Einsatzzweck herhalten muss. Der Generator steckt in einem ebenfalls piekfein bearbeiteten Aluminiumrahmen, der an der Unterseite des Abtasters sichtbar wird. Auf der Stirnseite des Holzgehäuses ist eine Harfe abgebildet, die das Fimenlogo bildet. Den Bezug zur Mandoline, also der Typenbezeichnung, konnte ich noch nicht entdecken, aber das muss ich ja vielleicht auch nicht.
Generator Im Inneren des Abtasters verbirgt sich eine Jochkonstruktion aus vergoldeten Reineisenteilen und ein edler Samarium-Kobalt- Magnet, der für die nötige Feldstärke sorgt.
Das Gehäuse besteht aus sehr altem roten Sandelholz In der Magnetkonstruktion soll das Geheimnis des Klang des Mandolin stecken. Nicht ganz unschuldig daran dürfte jedoch auch das „Business End“ sein, sprich, Nadel und Nadelträger. Die blassrote Farbe des dünnen Stäbchens deutet es schon an: Hier kommt ein Rubinnadelträger zum Einsatz, hinter Diamant das steifste Mateiral für diesen Einsatzzweck. Er trägt einen elliptisch geschliffenen Diamanten. Mit fünf Ohm Innenwiderstand ist das Mandolin modern niederohmig, als Spulendraht kommt hochreines OCC-Kupfer zum Einsatz. Die Nadelnachgiebigkeit liegt mit 15μm/mN im mittleren Bereich, was Kompatibilität mit einer großen Anzahl von Tonarmen verheißt. Die Ausgangsspannung ist mit 0,35 mV bei einer Schnelle von 3,54 cm/s völlig im grünen Bereeich und stellt keine MC-taugliche Vorstufe vor Probleme. Die empfohlene Auflagekraft beträgt 18 Millinewton, der Abschlusswiderstand sollte zwischen 100 und 470 Ohm liegen. Klingt soweit alles problemlos machbar, bleibt nur noch, das gute Stück unter den
Reed 3p zu schrauben und seinen Fähigkeiten zu lauschen. Die gute Nachricht lautet, dass der Abtaster absolut gerade zusammengebaut ist und man sich zur Kröpfungseinstellung ruhigen Gewissens an der gerade Vorderkante des Gehäuses orientieren darf. Die 8,4 Gramm Systemgewicht sind problemlos handhabbar. Der Hersteller gibt eine Abtastfähigkeit von 65 μm an, was ich für eine erstaunlich defensive Angabe halte. Beim Nachmessen waren denn auch eher 70 μm drin, was ein sehr gute Wert ist.
Klang Und mein lieber Scholli – der Hersteller hat bei seinen Ausführungen über die klangliche Abstimmung des Mandolin nicht übertrieben: Wir haben es mit einem ausgesprochen „sahnigen“ und geschmeidig klingenden Abtaster zu tun. Das wird schon bei den ersten Klavieranschlägen aur Rickie Lee Jones’ „We Belong Together“ deutlich: Der Flügel klingt nach Holz, er hat Substanz, die Saiten schwingen lange aus. Die gerne mal etwas sperrige Stimme der Sängerin klingt hier butterweich, der Hall wirkt natürlich, das Ganze hat Ausdruck und Leben. Eigentlich bin ich an dieser Stelle bereits fertig und könnte beschließen, dass ich ihn haben will, diesen Abtaster. Spätestens der Schlagzeugeinsatz bei diesem Titel offenbart, dass ein DL- 103 keinerlei Chance gegen das Mandolin hat: es klingt im Vergleich rumpelig und ausgedünnt. Anauar Brahem bestätigt den gewonnenen Eindruck: Das Mandolin geht ungeheuer emotional und saftig zur Sache, verleiht sogar dem kargen Wüsten-Jazz Leben und Drive. Wenn ich noch ein Argument gebraucht hätte, dann liefert das Robert Plant mit „Baby I’m Gonna Leave You“: Intensiv, stimmgewaltig und inbrünstig tönt’s über das OTTA. Toller Abtaster!
MitspielerPlattenspieler:
Phonovorstufen:
Vollverstärker:
Lautsprecher:
Gegenspieler Tonabnehmer:
- Denon DL-103
- Skyanalog G-1
Gespieltes: - Rickie Lee Jones: Pirates
- Anouar Brahem: Blue Maquams
- Led Zeppelin: I
- LA4: Just Friends