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Einzeltest > Vollverstärker > 01.10.2025

Ausgependelt

Der Begriff „Einsteigergerät“ ist ohne Zweifel ein relativer. Und wenn Dan D’Agostino einen Einsteigerverstärker präsentiert, dann dürfen wir eine ganz besondere Defi nitition des Begriffes erwarten.

Vollverstärker D’Agostino Pendulum

Hintergrund 
Vermutlich gibt es im Kreise der Leserschaft dieses Magazins niemanden mehr, der von den exotischen Edelstahl-und- Kupfer-Kreationen des US-Herstellers D’Agostino Master Audio Systems noch nie gehört hat. Eines umtriebigen Vertriebes sei Dank, sind die Preziosen so ziemlich auf jeder HiFi-Messe im Lande vertreten, meistens in Kombination mit Wilson-Audio-Lautsprechern. Eine Liaison, die meiner Erfahrung nach übrigens hervorragend funktioniert: Die Kombination aus der aktuellen Watt/Puppy und dem D’Agostino Progression-Vollverstärker, die ich vor knapp einem Jahr eine (viel zu kurze) Zeitlang beherbergen durfte, vermisse ich bis heute. Auf der High End 2024 konnte man erste Blicke auf das erhaschen, was D’Agostino als Modell unter dem Progession Integrated plante: Einen schnuckeligen kleinen Vollverstärker, der sich zu einem kompletten Muskicenter hochrüsten lässt und auch anspruchsvolle Hörer voll und ganz befriedigen soll. Ich freue mich mitteilen zu könne, dass das erste Exemplar des Modlells „Pendulum“ nunmehr in Duisburg steht und Gegenstand dieser Betrachtung ist.  

Äußerlichkeiten 
Auch wenn das Gerät über das klassische 43-cm-Format verfügt, wirkt es sehr kompakt. Das Gehäuse besteht aus Aluminium in großzügiger Materialstärke, bemerkenswert sind die zahlreichen unterschiedlichen Oberflächen:


Die Oberflächenbehandlung des Aluminiumgehäuses ist handwerklich etwas ganz Besonderes
Seitenwände und Front sind unterschiedlich gebürstet, die gerundeten Kanten der Front verfügen über einen feinen Facettenschliff, der Deckel ist mit einer feinen gefrästen Struktur versehen. Sehr ungewöhnlich und für jemanden mit einem Sinn für Metallverarbeitung sehr beeindruckend. Die Gerätefront wird von einem runden Anzeigeinstrument dominiert. Der umlaufende Kupferring hat beim Pendulum nur dekorative Funktion, bei den größeren D‘Agostinos dient er als Drehimpulsgeber. Davon hat der Pendulum einen links und einen rechts. Die beiden leicht gerasterten Knöpfe erlauben die Eingangswahl, das Einstellen der Lautstärke, Stummschaltung und Ein- Ausschalten. Letzteres ist mit einem „Aber“ zu verstehen, denn auch im Standby-Betrieb ist das Gerät noch ziemlich aktiv und verbraucht gute 20 Watt Strom. Das sind nur derer zwei weniger als im Leerlauf und verwundert deshalb, weil es keinen harten Netzschalter gibt. Wie sich das mit aktuellen Stromverbrauchsrichtlinien vereinbaren lässt, ist mir nicht ganz klar. Die große Show macht der Pendulum zweifellos mit seiner Fernbedienung. In den näherungsweise zylindrischen Geber ist genau so ein Display wie an der Gerätefront verbaut. Hier nun gibt es einen ringförmigen Drehimpulsgeber, mit dem sich das Gerät bedienen lässt. Das Faszinierende daran ist, dass die Kommumikation zwischen Verstärker und Geber in beiden Richtungen funktioniert. Sprich: Wenn ich am Gerät zum Beispiel die Lautstärke verändere, zeigt sich das auch im Display der Fernbedienung. Umgekehrt funktioniert‘s genauso. Das Zauberwort dahinter lautet „Bluetooth“. Mit der neuesten Inkarnation dieses Funkstandards kann man nicht nur Audiodaten übertragen, sondern auch solche Spielereien realisieren.  

Optionen 
In seiner Basisversion für 23600 Euro ist der Pendulum ein klassischer Vollverstärker. Man kann ihn mit einem Streaming. Modul (+3600 Euro) und einer MC-Phonovorstufe (+1800 Euro) aufrüsten, bei unserem Gerät standen beide Optionen zur Verfügung. Der Streamer stellt einen drahtlosen Netzwerkanschluss und eine Ethernet-Buchse zur Verfügung, hinzu gesellen sich eine Lichtleitereingang und – und das ist sehr selten bei einem Audiogerät – ein HDMI-Anschluss. Der Streamer streamt so ziemlich alles, was das hauseigen Netzwerk so zur Verfügung stellt, auch eine Titel- und Interpretenanzeige auf beiden Displays ist natürlich möglich. Streaming via Spotify, Qobuz und Tidal soll auch gehen – ich muss aber gestehen, dass ich mich damit nicht auseinandergesetzt habe. Sehr wohl aber mit dem Phonomodul, das einzubauen ich die Ehre hatte. Es kann ausschließlich MC-Abtaster bedienen und tritt an die Stelle des vierten Hochpegeleingangs. Parametriert wird es über zweimal vier Kippschalter, an die man von außen herankommt: Unter einem winzigen Deckel auf der Geräteoberseite kommen die Schalter zur Einstellung der Abschlussimpedanz zum Vorschein. Sechs Werte zwischen 50 Ohm und 47 Kiloohm sind möglich, das passt in der Praxis genau so wie die maßvoll gewählte Verstärkung.  

Aufbau 
Weil wir gerade beim Reingucken sind: Man kann schon erkennen, warum das Gerät in solchen preislichen Dimensionen angesiedelt ist – hier wurde einfach ein gehöriger Aufwand getrieben.

Analog Signalanschlüsse gibt‘s beim Pendulum nur in symmetrischer Form
Interessanterweise argumentiert der Hersteller auf seiner Webseite für das Gerät zunächst mit der fortschrittlichen Verstärkerschaltungstechnik und erst danach mit den zahlreichen Features, die die Maschine bietet. Die Verstärkung obliegt hier nämlich einem Platinen-Doppeldecker auf der linken Seite im Gerät. Zweimal sechs bipolare Onsemi-Leistungshalbleiter kühlen ihr Hütchen an kaum erwähnenswerten Kühlkörpern, denen allerdings die gesamte thermische Masse des Gehäuses zur Seite steht. Auf der SMD-bestückten Aufsteckplatine ist das ziemlich komplexe Front End zuhause, dessen neuartige JFet-Eingangsstufe in diesem Gerät erst zum zweiten Mal zum Zuge kommt. Natürlich ist das diskret aufgebaut, selbstredend arbeitet die Abteilung im Class-A-Betrieb. Den Strom stellt ein überzeugender 750-VA-Ringkernumspanner zur Verfügung, die Siebelkos wurde etwas verschämt an den äußersten rechten Gehäuserand verbannt, sind aber in zweifellos ausreichender Menge vorhanden. Das Gerät arbeitet weitgehend vollsymmetrisch, auch die elektronsichen Texas Instrumets-Lautstärkesteller sind doppelt vorhanden. Das Streaming-Modul ist ein rund zehn mal zehn Zentimeter kleines Platinchen hinten rechts und wird bei Bedarf mitsamt der dazugehörigen Eingangsbuchsenreihe montiert. Heutzutage unvermeidlich: zwei Antennen auf der Geräterückseite. Eine für die Fernbedienung, eine für die WLAN-Konnektivität. Dan D‘Agostino muss niemendem mehr beweise, dass er verzerrungsarme Hochleistungsverstärker bauen kann. Deshalb zeigt sich der Pendulum diesbezüglich auch eher unspektakulär. Er leistet knapp 100 Watt an acht und etwa 160 Watt an vier Ohm mit über der Aussteuerung leicht ansteigenden Verzerrungen. Ein Verhalten, was ich heutzutage als Indiz für klangliche Potenz ansehe.  

Klang 
Man kann gegen hochpreisige amerikanische Verstärker argumentieren, wie man will, aber in vielen Fällen liefern sie einfach, wenn‘s drauf ankommt. D‘Agostinos Einstiegsofferte ist genau so ein Fall. Was nicht wirklich verwundert: Wenn Dan D’Agostino nicht weiß, wie man Verstärker baut, wer denn dann? Den Beweis tritt der Pendulum dann auch ohne Umschweife an: Er geht überaus kräftig und farbstark zu Werke. In seiner Gangart erinnert er mich tatsächlich an die großen Audio- Research-Röhrenverstärker der vergangenen Jahre – es muss wohl was dran sein an einem herstellerübergreifenden amerikanischen Klangideal. Jedenfalls geht der kompakte D’Agostino mit einer Inbrunst und einem Tatendrang zur Sache, als gäbe es kein Morgen. Ich habe mal wieder das großartige Ten Years After-Live- Album „Recorded Live“ aus dem Regal gezogen und bin völlig begeistert, mit wieviel Elan der Pendulum das Ding in die Lautsprecher drückt. Alvin Lee zu seinen Hochzeiten – und der Pendulum lässt überhaupt keinen Zweifel daran. Zart und zurückhaltend? Kann er auch. Die alten Profimelancholiker von „The National“ präsentiert der Pendulum eindrücklich, tiefgründig und weiträumig. Überhaupt befleißigt er sich einer ausufernden Raumwiedergabe, die seinem ausdrucksstarken Charakter sehr gut zu Gesicht steht. Im Bass wahrt er die Balance zwischen trockener Pragmatik und schwelgerischer Opulenz ganz wunderbar, hier wurde wirklich mit feiner Hand abgestimmt. Große Klasse!  

Mitspieler 
Plattenspieler:
Tonabnehmer: 
Lautsprecher: 

Gegenspieler 
Vollverstärker: 

Gespieltes: 
  • Ten Years After: Recorded Live 
  • The National: Trouble Will Find Me 
  • Ella Fitzgerals: Ella Swings Lightly 
  • Walcott / Cherry / Vasconcelos: Codona 2  


Fazit

D’Agostinos kleiner Vollverstärker klingt erwachsen, leuchtend und ausladend und so gar nicht wie ein Einsteigermodell. Eine exzellente Verarbeitung und das trickreiche Bedienkonzept sorgen für zusätzliche Pluspunkte.

KategorieVollverstärker
ProduktPendulum
HerstellerDan D‘Agostino
Preis23600 Euro
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Logo LP:Magazin

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Klar laufen wir in der Sicherheit unsere kuscheligen analogen Ecke ein bisschen Gefahr, die innovativen Impulse in der Audiotechnik zu übersehen. Also versuchen wir mal was Modernes.

Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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