Mit einem Erfahrungsschatz aus 5 Jahrzehnten Symphonic Line hat Rolf Gemein längst seine Klang-Signatur gefunden – Zeit also, sich ein bisschen zurückzulehnen also? Weit gefehlt!
Weil Stillstand für den Duisburger Vordenker Rückschritt bedeutet, hat er einen seiner Klassiker, die reine Phonostufe, in der aktuellen MK4-Version noch einmal gründlich modellgepflegt und ihr eine weitere, stärkere Dosis der ihm eigenen Klang-Philosophie verpasst. Wer Rolf Gemein kennt – und in der deutschen HiFi-Szene kennt ihn jeder – , der weiß: Hier regieren nicht Marketingstrategien, sondern eine spannende Mischung aus physikalischem Pragmatismus und der fast schon besessenen Suche nach der „musikalischen Wahrheit“. Seine Messe- Vorführungen sind legendär (und immer äußerst gelungen und anschaulich), seine Ansichten ebenso stabil wie die Gehäuse seiner Geräte. Klar, dass genau diese Stabilität auch die Phonostage MK 4 ausstrahlt . Kein „Chichi“, kein modischer Schnickschnack. Ein massives, matt schwarzes Gehäuse, das so satt im Rack steht, als wäre es für die Ewigkeit gebaut. Symphonic Line eben. Hier geht man nicht mit der Mode, hier hat man einmal einen Standard gesetzt und dem bleibt man treu.
Technisch bleibt Gemein bei seinem Credo: Alles, was dem Signal im Weg steht, wird entfernt. Was dem Signal auf die Sprünge hilft, wird großzügig geplant und, wenn erforderlich, auch gerne überdimensioniert. Im Fall der Phonostage MK 4 bedeutet das einen Trafo und Siebkapazitäten einzubauen, mit denen andere Hersteller einen Vollverstärker betreiben würden. Bei Symphonic Line dient der 300-VA-Ringkerntrafo „nur” dazu, winzigste Versorgungsspannungen aufzubereiten. Kleiner Einschub: Die Leistungsaufnahme der Phonostage beträgt bei uns gemessene 23 Watt – das nenne ich mal großzügige Reserven! Aber genau das ist der Punkt: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen – außer durch noch mehr Hubraum oder eben durch Siebkapazität. Eine Gruppe speziell für Symphonic Line gefertigter Siebkondensatoren sorgen dafür, dass der Strom so sauber fließt wie das Wasser im Rhein (zumindest nahe seiner Quelle).
In der eigentlichen Verstärkerschaltung geht es dagegen eher schlicht zu:
Ein aufgeräumter Innenaufbau mit sogrfältiger Platzierung jeder einzelnen Komponente ist Teil der Symphonic-Line-Philosophie Im Gegensatz zu größeren Phonomodellen, die Platinen für den Anschluss zweier Tonarme bieten, gibt es hier nur einen Eingang – die Ausgangsbuchsen sind an die Stelle des zweiten Eingangs des größeren Modells gewandert, mit dem sich die Phonostage MK 4 die Bauart des Gehäuses teilt. Auf der „Hauptplatine“ stecken jeweils zwei Ein- und Ausgangsmodule. Deutlich mehr Platz nimmt die Filterung, Regelung und Siebung der Stromversorgung ein, auf die Rolf Gemein wie gesagt großen Wert legt. Ebenso wichtig ist ihm die mechanische Stabilität der Gesamtkonstruktion: Die fast schon riesigen Pads mit dem Symphonic-Line-Schriftzug, die auf dem Trafogehäuse und dem Boden kleben, sind mehrschichtig mit Gel-Füllung gemacht, um Resonanzen zu unterbinden. Traditionell gibt es im eigentlichen Verstärkerteil maximal kurze Signalwege, eine Class-A-Schaltung, und einen (fast) komplett diskreten Aufbau, mit einem kleinen „Downgrading“ gegenüber der Referenzvorstufe, in der wir eine Platine bestaunen durften, auf der ein IC mit lauter kleinen SMD-Transistoren nachgebildet wurde. Diese fällt hier weg – statt dessen sitzt der originale IC im Sockel der Phonoplatine – ein Bauteil, das laut Rolf Gemein nur in Kleinserie für Symphonic Line hergestellt wird.
Der Konstrukteur vertraut ohnehin nur auf ausgesuchte Bauteile, die er in teils jahrelangen Hörsessions selektiert hat. Komfort gibt es dagegen weniger. Wer Mäuseklaviere an der Rückseite oder im Boden des Gerätes sucht, ist hier falsch. Die Anpassung an MM oder MC sowie die rudimentäre Einstellung von Widerstand und Kapazität erfolgen über DIP-Schalter im auf den zuständigen Platinen Inneren des Geräts. Wer sich also in Sachen Tonabnehmer verändern will, der muss schrauben. Rolf Gemein würde niemals einen klangverschlechternden Schalter in den Signalweg bauen, nur damit der Nutzer fünf Minuten Zeit spart. Einmal einstellen, Deckel zu – natürlich mit den richtigen Anzugsdrehmomenten, denn auch da ist er pingelig – und dann geht es ans Musikhören.
Für den Hörtest verzichte ich auf audiophiles Material und lege direkt „Beggars Banquet” von den Rolling Stones auf. Die Nadel senkt sich und es passiert das, was typisch für Symphonic Line ist: Der Sound rastet ein. Die Snare von Charlie Watts peitscht am Schluss von „You can´t always get what you want“ mit einer Trockenheit und Wucht in den Raum, dass man unweigerlich zusammenzuckt. Das ist dieser unbändige Vorwärtsdrang, den Gemein allen seinen Geräten anerzieht – ich erinnere mich da gerne an den Vollverstärker, der jahrelang unsere Hörr-Referenz war, vor allem, wenn es darum ging, etwas „verhuschten“ Boxen Manieren und eine gerade Spielweise anzuerziehen. Aber zurück zur Phonostage: Die MK 4 spielt nicht einfach Musik ab, irgendwie findet sie einen direkteren Weg, dem Hörer einen spontanen Draht zur aufgelegten Scheibe zu verschaffen. Das funktioniert übrigens auch. Szenenwechsel: Jetzt doch mal ein bisschen subtileres Material. Die Dynamiksprünge in „Telegraph Road” von den Dire Straits sind selbst für eine hochwertige Phonovorstufe eine Herausforderung. Die Phonostage meistert diese nicht nur, sie zelebriert sie. Wenn das Schlagzeug einsetzt, gibt es kein Wummern oder Verschleifen, sondern pure Energie. Gleichzeitig stellt sie Mark Knopflers Gitarre so plastisch zwischen die Lautsprecher, dass man fast die Saiten schwingen sieht – und das ist das Kunststück: Die Anlage zwischen der Aufnahme und dem Hörer „verschwindet“. Aber kann der „Ruhrpott-Hammer“ auch leise? Ich lege „Réflections“ von Hélène Grimaud auf. Und siehe da: Die MK 4 behandelt die Aufnahme mit einer fast schon zärtlichen Akkuratesse. Das Ausschwingen der Saiten, der Raum um den Flügel, das alles ist ganz genau zu hören. All das vor einem tiefschwarzen Hintergrund, der einmal mehr beweist, wie wichtig eine überdimensionierte Stromversorgung ist. Keine Geräusche, keine Ablenkung. Nur Musik. Dabei meine ich zu hören, dass die MK 4 im Vergleich zu früheren Modellen nochmals an Feingeist gewonnen hat. Während früher vielleicht etwas mehr die schiere Kraft dominierte, gesellt sich heute eine seidige Auflösung im Hochton dazu, die niemals nervt, aber keine Information unterschlägt. Sie verbindet die hemdsärmelige Kraft eines Stahlarbeiters mit der Feinmotorik eines Uhrmachers. Und laut Rolf Gemein ist das erst der Anfang der Reise: So ein Gerät altert wie guter Wein und erreicht seinen klanglichen Zenith erst nach ein paar Jahren – wohl dem der diese Reise miterleben darf!
Gemessenes: Die Frequenzgangmessungen der beiden Betriebsarten MM und MC unterscheiden sich nur geringfügig: Bei MM gibt es einen Hauch mehr Tiefton und eine etwas höhere obere Grenzfrequenz – akademisch, weil jenseits der 100 kHz! In Sachen Klirr ist die Symphonic Line sehr zurückhaltend: Gerade mal 0,03 % und 0,09 % bleiben komplett unhörbar. Bemerkenswert ist der sehr gute Fremdspannungsabstand von -83 dB(A) bei MM und -66 dB(A) bei MC – die Werte für Kanaltrennung sind noch besser. Mit einer Leistungsaufnahme von 23 Watt ist die Symphonic Line recht sparsam.
Mitspieler Plattenspieler:
- Thorens TD 1600 mit Ortofon MC 30 Supreme
- Dr. Feickert Volare mit SPU GM E
- Thorens TD 160S MK V mit Elac 796 H24
Vorverstärker:
- Accuphase C-280
- Accustic Arts Tube-Preamp II
- Modrow HPA
Endstufen:
- Hypex Nilai
- Leak Stereo 20 und Stereo 50
Vollverstärker:
Lautsprecher:
- JBL L-300 und L-26
- Neuron Acoustic Majestic M
- Audes 526 On-Wall
- Davis The Stage
Zubehör:
- Netzleisten von PS Audio, Silent Wire
- Kabel von van den Hul, Silent Wire
Gegenspieler Phonovorstärker:
- Thorens MC 1600
- EAR Phonobox
Gespieltes - Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1
- The Rolling Stones: Beggars Banquet
- Dire Straits: Love over Gold
- Gerry Mulligan: Live at the Village Vanguard
- Beck: Morning Phase
- Sergej Prokovjew: Romeo und Julia
- Kraftwerk: The Man-Machine (Remaster)
- Helène Grimaud: Reflection