Lautsprecher Supravox KL15 Heritage im Test, Bild
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Einzeltest > Lautsprecher > 06.11.2024

Lautsprecher ohne Kompromisse

Ich hab da ein paar schlechte Nachrichten für euch: „Richtige“ Lautsprecher müssen genau so aussehen wie diese hier. Und wenn ihr vermutet, dass das hier eine sehr nerdige Geschichte wird, dann seid ihr auf dem richtigen Dampfer.

Lautsprecher Supravox KL15 Heritage

In genau dem Moment, als ich die brandneue Standbox des französischen Lautsprecherherstellers Supravox auf der diesjährigen High End in München erspähte war bereits klar: Die muss ins Haus. Die KL15 Heritage hat einfach ein paar Knöpfe bei mir gedrückt, bei denen ich kaum widerstehen kann: großvolumiges Bassreflexgehäuse mit einer 15“-Bassmembran, die ganz schwer nach einem steinalten Altec- Treiber aussieht, ein quadratisches Mitteltonhorn, das sehr stark an die legendäre Klangfilm Kombination KL-L302 erinnert. Beides sind Dinge, die dem Vintage-Lautsprecherfan unweigerlich Tränen der Verzückung abnötigen.  

Historisches
Okay, der Reihe nach: Supravox? Muss man das kennen? Unbedingt. Die Geschichte des kleinen, aber feinen Lautsprecherspezialisten reicht bis in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg zurück. Der Markenname Supravox taucht erstmals in den Fünfzigern auf. Die französische Manufaktur baut superfeine Breitbandlautsprecher, die zunächst in Radios und Fernsehgeräten verschiedenster Hersteller zum Einsatz kamen. Die kann man bis zum heutigen Tag einzeln kaufen und das Drumherum selbst erledigen. Neuerdings gibt’s jedoch auch Fertiglautsprecher mit hohem audiophilen Anspruch. Mittlerweile fertigt man auch drei Varianten eines mächtigen Fünfzehn- Zoll-Tieftöners nach berühmtem Vorbild. Eines dieser Derivate kommt in dem Lautsprecher zum Zuge, in den wir uns hier zu verlieben im Begriff sind. Der ambitionierte Selbermacher kann auch diese Preziosen einzeln erwerben, der hauseigene Webshop listet die Woofer für aktuell 1239 Euro pro Stück. Was sicherlich kein Schnäppchen ist, aber das sind die Alternativen von Great Plains Audio aus den USA auch nicht. Ich hab‘ euch gewarnt, das wird harter Stoff hier…  

Konzept

Bevor wir uns hier komplett in Details verlieren, lasst uns erst einmal übers große Ganze reden. Das nämlich manifestiert sich in Form einer knapp anderthalb Meter hohen Standbox, die ganz eindeutig nicht modernsten gestalterischen Standards folgt, sondern irgendwo zwischen Vintage-Optik und DIY-Projekt der aufwändigeren Sorte angesiedelt ist. Hinzu gesellt sich ein Preisschild von leicht unerfreulichen 42000 Euro fürs Paar, was den Kundenkreis von vornherein auf die härtesten Fans solcher Preziosen beschränken dürfte. Es handelt sich um einen klassisch passiven Lautsprecher, der mit einem gesunden Wirkungsgrad von realistischen 93 Dezibel bei ziemlich hochohmiger Gangart (im Schnitt um zehn Ohm) ein geeigneter Spielpartner für alles mögliche Röhrengelöt sein dürfte, zumal sich der Impedanzverlauf angenehm unaufgeregt zeigt.   

Tieftonales
Das Tieftongehäuse bildet mit einer Breite von gut einem halben Meter und einer ähnlichen Tiefe den zweifellos ausladendsten Bestandteil der KL15 Heritage.

Lautsprecher Supravox KL15 Heritage im Test, Bild
Die KL15 Heritage ist ein fast anderthalb Meter hohes Möbel, das erst einmal in den Wohnraum integriert werden will
Der Star der Angelegenheit ist der nach alter Väter Sitte von innen montierte Fünfzehnzöller, der alle Eigenschaften mitbringt, die wir heute so schmerzlich an modernen Tieftönern vermissen: kräftiger Antrieb, geringe bewegte Masse, weiche Membranaufhängung. Damit kann man sehr tief in den Frequenzgangkeller steigen, wenn man ge nügend Luftvolumen bereitzustellen willens ist. Das ist hier in Form eines solide verstrebten Birkenmultiplexgehäuses geschehen. Die gerundeten Seitenwände und der sich nach hinten verjüngende Querschnitt sind die einzigen Zugeständnisse an den Zeitgeist und sorgen für zusätzliche Stabilität. An den Tieftöner kommt man über eine „Serviceklappe“ am Gehäuseboden. Das Gehäuse wurde in ein modernes und umweltpolitisch korrektes Kunstfurnier geschlagen. Dessen Optik muss nicht jedermanns Sache sein, die Verarbeitung (in erster Linie an den Gehäusekanten) auch nicht. Da es sich hier um ein sehr frühes Serienmodell handelt bin ich mir ganz sicher, dass hier noch Änderungen respektive Verbesserungen möglich sind. Nichts einzuwenden haben wir gegen den feinen Treiber, dessen Drei-Zoll-Schwingspule von einem klassischen AlNiCo-Magneten in Schwingungen versetzt wird. Die Belüftung durch eine Öffnung in der Dustcap ist ebenso eine Referenz ans große Vorbild wie die mehrfach gefaltete Gewebesicke, die klassische Papiermembran sowieso. Zwei großvolumige Reflexrohre auf dem Boxenrücken sorgen für den nötigen Tiefgang, auch die strukturell eher einfach Frequenzweiche findet ihr Plätzchen in diesem Abteil.  

In der Mitte
Das Mitteltonhorn ist für „normale“ HiFi- Fans sicherlich das ungewöhnlichste Detail an der Supravox-Box.
Lautsprecher Supravox KL15 Heritage im Test, Bild
Das gegossene Horn nach Klangfilm-Vorbild ist klanglich ein absoluter Traum
Trotz seiner quadratischen Form handelt es sich um ein Kugelwellenhorn, die Kontur wurde lediglich aufs viereckige Format umgerechnet. Entstanden ist die legendäre Konstruktion in Deutschland in den Fünfziger Jahren. Die Audiosparte von Siemens firmierte damals unter dem Namen Klangfilm und zeichnet auch für diese Preziose verantwortlich. Das Originalhorn war für den Anschluss eines Ein-Zoll-Druckkammertreibers gedacht, die hier eingesetzte Version ist kürzer und mit einem Zwei-Zoll-Treiber bestückt. Vermutlich verrate ich keine Geheimnisse, wenn ich dessen Ursprung beim US-Hersteller Radian verorte. Dessen Aufbau hat mal gar nichts mit Vintage zu tun, es handelt sich um eine hochmoderne Konstruktion mit Neodymantrieb und einer drei Zoll durchmessenden Berylliummembran. Das Horn selbst entsteht in Deutschland beim kleinen, aber feinen Hersteller Lamar Audio und besteht aus einem hoch dämpfenden Harz, das per Gussverfahren in Form gebracht wird.   

Hohe Töne
Bei rund sechs Kilohertz übergibt das quadratische Horn an einen nicht minder exotischen Ringstrahler, für den ebenfalls Lamar Audio verantwortlich zeichnet. Den Antrieb der 25 Millimeter durchmessenden Membran übernimmt ein imposanter außenliegender AlNiCo-Magnet, der auch dafür sorgt, dass der Treiber relativ sicher in seiner etwas robust wirkenden Halterung „klebt“. Die Membran des Treibers besteht aus gutem alten Phenolharz, womit schon JBL „damals“ die am höchsten belastbaren Druckkammertreiber am Markt realisiert hat. Der Entwickler hat bewusst das letzte Fitzelchen oberer Grenzfrequenz sein lassen und im Zusammenspiel zwischen Membran und dem in vielen Versuchen entstandenen Phaseplug genau den Sound hinbekommen, den er wollte.   

Und sonst
Mittel- und Hochtonhorn werden von einer geschweißten Stahlkonstruktion an Ort und Stelle gehalten, wobei die ganze Anordnung mittels einer einzigen Schraube mit dem Bassgehäuse verbunden wird. Ein Langloch erlaubt es, den Mittelhochtonteil gegenüber dem Bass in der Tiefe zu verschieben. Die Hochtöner thronen, oben auf einem Rohr montiert, ein Stück über dem Geschehen und sind zudem außermittig angeordnet. Ob sie denn nun nach außen oder nach innen gehören, kommt auf eure individuelle Hörsituation an. Bei uns im Hörraum hat sich eine Platzierung der Tweeter innen als die richtige Wahl erwiesen.   

Sound
Davon ab, gestaltet sich das Einrichten der Supravoxe als recht einfach. Sie sind bei der Platzierung recht gutmütig und auch die beiden Drehschalter, mit denen sich Mittel- und Hochtonhorn geringfügig an den Raum anpassen lassen, durften in der Mittelposition bleiben, ihre Wirkung ist definitiv gering. Den Antrieb übernahm letztlich der große Soulnote-Vollverstärker A-3, von dem definitiv noch einmal gesondert zu berichten sein wird. Die Kombination mit der der KL15 Heritage ist eine musikalische Sternstunde, wie auch ich sie nur sehr selten erlebe. Als erstes war der unzerstörbare Paul Kuhn samt dazugehörigem Trio an der Reihe, mir seine legendäre späte Live- Einspielung „Live At Birdland“ nahezubringen. Was erschütternd gut funktioniert hat. Zunächst fällt das ausgezeichnete Abbildungsvermögen der Lautsprecher auf. Der Chef sitzt perfekt exakt in der Mitte, der Abstand zwischen Stimme und Klavier ist exakt nachvollziehbar. Und das schon bei extrem geringen Pegeln, die Abbildung bleibt perfekt stabil. Nächste Auffälligkeit: die tonale Präzision der KL15 Heritage. Die Klangfarben sitzen auf dem Punkt, keine Spur horntypischer Verfärbungen. Die Übergänge zwischen den drei Zweigen verläuft komplett unauffällig, was ich für die vielleicht größte konstruktive Leistung bei der Konzeption dieses Lautsprechers halte. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass es ganz oben herum ein wenig zurückhaltend tönt. Jedes sanft angeschlagene Becken, jeder Besen auf einer Trommel überzeugt dann aber vom Gegenteil: Superfein und präzise tönt dieser Teil des Spektrums. Die Begeisterung lässt bei Steely Dans „Gaucho“ kaum nach, im Gegenteil: Bereits die ersten Töne von „Babylon Sisters“ verwöhnen mit einem warmen, profunden, aber pfeilschnellen Bass. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass so etwas auch mit einer Bassreflexkonstruktion möglich ist – hier ist er. Der einsetzende Chor reißt vehement einen imaginären Vorhang von der Bühne weg, die Stimmen klingen ungeheuer crisp und sauber – so müssen Hörner klingen. Was ich an diesem Lautsprecher beanstanden würde? Absolut nichts. Der Wandler ist von oben bis unten ein absoluter Traum und ich will nicht ausschließen, dass das eine oder andere Detail davon Folgen für meine Selbstbauaktivitäten haben wird.  

Gemessenes  

Lautsprecher Supravox KL15 Heritage im Test, Bild
 

Messtechnik-Kommentar: Die Supravox macht auch vor dem Mikrofon eine ordentliche Figur. Beim Amplitudenfrequenzgang ist ein ganz leicht von unten nach oben fallender Verlauf erkennbar, das deckt sich mit dem Klangeindruck. Der Bassbereich hat ein leichtes Maximum bei etwa 60 Hertz, darunter geht’s aber noch bis mindestens 30 Hertz weiter. Im Hochton ist der Verlauf etwas unruhig, was aber akustisch nicht weiter ins Gewicht fällt. Das Rundstrahlverhalten ist sehr gut, der mittlere Wirkungsgrad liegt bei etwa 93 Dezibel an 2,83 Volt. Der Impedanzschrieb vermeldet angenehme zehn Ohm im Mittel, der Verlauf sieht linearisiert aus – gute Nachrichten für Röhrenbetreiber. Das Klirrverhalten ist unproblematisch, der leichte Anstieg der Verzerrungen zweiter Ordnung im Übernahmebereich zwischen Bass und Mittelton dürfte auf Reflexionen im Mitteltonhorn zurückzuführen sein. 


Fazit

Die KL15 Heritage ist ein immens überzeugender Beweis dafür, wie hervorragend sich scheinbar altertümliche Lautsprecherrezepte und moderne Technik miteinander verbinden lassen. Das Resultat ist explosiver, aber vollkommen stressfreier Klang über das gesamte Spektrum.

KategorieLautsprecher
ProduktKL15 Heritage
HerstellerSupravox
Preis42000 Euro Paarpreis
Getestet vonHolger Barske
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Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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