Lautsprecher Fyne Audio Vintage Classic Gold XV SP im Test, Bild
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Einzeltest > Lautsprecher > 07.05.2025

Alternatives Sparmodell

Träumen wir nicht alle von einem „richtigen“ Lautsprecher? Also von einem, der abseits aller Vernunft- und Platzgedanken einfach in der Lage ist, klangliche Wünsche kompromisslos zu erfüllen? Das hier ist so einer.

Lautsprecher Fyne Vintage Classic Gold XV SP

Zur Einordnung
Nein, es ist keine Tannoy. So ganz langsam dürfte es sich auch herumgesprochen haben, dass Produkte des schottischen Herstellers Fyne Audio zwar aus gutem Grund eine gewisse Ähnlichkeit mit denen der bekannten Traditionsmarke haben, aber dennoch vollkommen eigenständige Kreationen sind. Der Grund dafür heißt Dr. Paul Mills und sein Team, die seinerzeit für die Lautsprecherentwicklung bei Tannoy verantwortlich zeichneten. Im Zuge des Verkaufs von Tannoy an die Behringer- Gruppe schieden diese Leute aus dem Unternehmen aus und gründeten ihr eigenes Dinge namens Fyne Audio. Die zentrale Komponente von Tannoy-Lautsprechern waren von jeher koaxiale Lautsprecherysteme, und das ist naturgemäß bei Fyne Audio nicht anders. Im Portfolio der Schotten finden sich jede Menge koaxialer Schallwandler mit Nenndurchmessern zwischen fünf und fünfzehn Zoll. Jene haben mittlerweile ein hohes Maß an technologischer Eigenständigkeit erreicht, sodass wir das Kapitel „Tannoy“ an dieser Stelle ruhigen Gewissens schließen und uns ausschließlich auf Fyne-“Koaxe“ konzentrieren können.  

15 Zoll – das ist die Königsklasse. Das gilt nicht nur für schottische Koaxiallautsprecher sondern ganz generell. Auch bei klassischen Tieftönern ist der Fünfzehner der beste Kompromiss zwischen Tiefgang und „Impact“. Klar, mit noch mehr Membrandurchmesser kommt man noch tiefer, aber dann „knackt’s“ klanglich darunter nicht mehr so schön. Und darunter? Nett gemeint, aber…  

15 Zoll wollen aber artgerecht gehalten werden, will sagen: Wenn’s richtig Bass machen soll, dann müssen schon locker 150 Liter Gehäusevolumen her. Das weiß man auch bei Fyne, weshalb die Vintage Classic Gold XV SP solides Kühlschrankformat hat.  

Bei den „Vintage“-Baureihen muss man übrigens aufpassen, denn davon gibt es gleich drei, aber nur zwei wagen sich bis in die Königsklasse vor: Das Topmodell „Vintage Fifteen“ gibt’s in unserem „HiFi Lautsprecherjahrbuch 2025“ zu bestaunen, die kleinste Vintage-Baureihe „Vintage Classic“ hat kein 15-Zoll Modell. Unser heutiger Proband entstammt der mittleren Vintage-Linie namens „Vintage Classic Gold SP“ und bildet logischerweise deren Topmodell. Mit einem Verkaufspreis von 18000 Euro pro Paar ist sie zwar beileibe kein Schnäppchen, kostet aber immerhin nur gut die Hälfte der Vintage Fifteen, mit der sie rein technisch weitgehend identisch ist. Alle Klarheiten beseitigt? Dann ist es an der Zeit, sich dieses Prachtexemplar genauer anzusehen.   

Der Treiber
Der Star der Angelegenheit ist ganz ohne Zweifel der koaxiale „IsoFlare point source driver“. Die Bezeichnung zielt auf den Umstand, dass die Formgebung der Tieftonmembran praktisch stufenlos in die des Trichters des Hochtöners übergeht, wodurch man Brüche im Abstrahlverhalten vermeidet.

Lautsprecher Fyne Audio Vintage Classic Gold XV SP im Test, Bild
Kein kleiner und dezenter Lautsprecher, aber ein exzellenter: Fynes Classic Gold XV SP
Die Bassmembran besteht aus einer besonderen Papiermischung – Zellulose als Werkstoff ist bis zum heutigen Tag ein exzellenter Werkstoff für diese Anwendungen. Der bereits bei 750 Hertz eingekoppelte Hochtöner ist ein mächtiger Druckkammertreiber mit einer drei Zoll durchmessenden Membran aus einer Titanlegierung. Das satt dimensionierte Neodym-Antriebssystem verhilft dem Treiber zu Tugenden, die ihn auch im Beschallungsbetrieb gut einsetzbar machen würden, in Heimanwendungen wie hier wird man ihn praktisch niemals bis an seine Grenzen fordern können. Die Anordnung ist in einem modernen und soliden Aluminium-Gusskorb montiert. Erwähnenswertes Detail am Rande: Zur Montage im Gehäuse dienen vergoldete Inbusschrauben der Zugfestigkeitsklasse 12.9 – das sind garantiert Sonderanfertigungen. Eine Art Markenzeichen von Fyne Audio ist die „Fyneflute“ getaufte Sicke, die die Tieftonmembran einspannt. Sie ist in regelmäßigen Abständen mit Einkerbungen versehen, die umlaufende Resonanzen an dieser Stelle zuverlässig verhindern.   

Gehäuse
Bei der Vintage Classic Gold XV SP ist der Ausnahmewandler in einen Quader aus solidem, in feines Nussbaumfurnier ge wandetes Birkenmultiplex eingebaut. Das tut‘s fast genau so gut wie das ungleich aufwändigere Gehäuse der „Classic Fifteen“, das sich mit geschwungenen Seitenteilen in die Tiefe reckt und mit diversen Massivholzapplikationen versehen wurde. Reichlich Verstrebungen gibt‘s hüben wir drüben. Wie schon bei der Vintage Fifteen kommt hier ein „Twin Cavity“ getauftes Tieftonsystem zum Zuge. Hierbei handelt es sich um eine Variante des ventilierten Gehäuses. mit zwei übereinander angeordneten Gehäusekammern: In die obere strahlt der Tieftöner direkt. Sie wird über ein Bassreflexrohr an die zweite Kammer angekoppelt, die über eine Öffnung im Boden den austretenden Schall an die Außenwelt abgibt. Gewissermaßen arbeiten hier also zwei Reflexsysteme hintereinander, was interessante Möglichkeiten eröffnet. Messtechnisch benehmen sich die auf unterschiedliche Frequenzen abgestimmten Systeme wie ein einziger Resonator mit tiefer Abstimmung. Noch ein Interessantes Detail zur Bassabstrahlung: Die Luft aus dem Reflexsystem tritt durch seitliche Öffnungen im unteren Bereich des Lautsprechers aus. Die „Umlenkung“ übernimmt ein „BassTrax“ getaufter Kegel auf der Bodenplatte des Lautsprechers. In Anbetracht der großen Wellenlängen im Bassbereich ist der Kegel für den Schall selbst zwar praktisch unsichtbar, nicht aber für die strömende Luft selbst. Die Reduktion von Strömungsgeräuschen ist die eigentliche Aufgabe dieses Elements.  

Frequenzweiche
Die Aufteilung des Signals zwischen den beiden Zweigen erfolgt mit Filtern zweiter Ordnung. Neben untadeliger Bauteilequalität gilt es die Tieftemperaturbehandlung zu erwähnen, die der Hersteller seiner Frequenzweiche angedeihen lässt. Zudem sind die Signalanschlüsse im Bi-Wiring-Format ausgelegt, man kann sich also mit zwei getrennten Leitungen – oder, wenn man will, sogar mit getrennten Verstärken – der Tiefmittel- und Hochtonabteilung nähern. Passende, qualitativ angemessene Kabelbrücken liegen den Lautsprechern natürlich bei. Noch eine Besonderheit in diesem Zusammenhang: das fünfte Anschlussterminal. Die hier anzuschließende Leitung hängt am Korb des Koaxialtreibers und möchte mit Erdpotenzial verbunden werden. Was auch immer damit vom Treiber gen Erde abgeleitet werden soll, die Wirksamkeit der Maßnahme ist nur dann zu leugnen, wenn man sich komplett gegen solche Dinge sperrt. Alle anderen werden erstaunt eine merklich klarere und stabilere Wiedergabe zur Kenntnis nehmen. In diesem Falle würde ich sagen: Nicht diskutieren, sondern einfach machen.   

Kombinatorisches
Trotz ihres knackigen Wirkungsgrades will die Fyne mit stabilen Verstärkern angesteuert werden. Single-Ended-Röhren sind nicht der Weg, ein ordentlicher Gegentakter schon eher – wenn‘s denn eine Röhre sein soll. Zudem verfügt die Box über Einstellmöglichkeiten, mit denen man den Hochtonbereich als Ganzes oder nur den Präsenzbereich gezielt im Pegel verändern kann. Das hilft sowohl bei der Anpassung an die Hörgewohnheiten wie auch bei der an die akustischen Gegebenheiten des Raums.  

Klang
Wie schon die Vintage Fifteen benimmt sich auch dieser Lautsprecher im Tieftonbereich ausgesprochen gesittet. Er qualifiziert sich als feingeistiger Forscher bis in sehr tiefe Gewässer und reproduziert auch Töne in der 30-Hertz-Region noch sauber und klar, wie sich mit Hilfe des guten altes Bela Fleck und seinen Flecktones perfekt nachvollziehen lässt: Blitzsauber und konturiert reproduziert die Schottin diese Herausforderung bei immer noch mehr als ausreichendem Pegel. Einmal mehr qualifiziert sich der superbe Soulnote-Vollverstärker A3 mit seinen moderaten 60 Watt als perfekter Treibsatz. Der Mittel- und Hochtonpart der Fyne gehört zum Saubersten, was ich je von einem Druckkammertreiber gehört habe. Der Anschluss an die große Papiermembran gelingt vollkommen bruchlos, und das ist vielleicht das Erstaunlichste an diesem Lautsprecher. Hornverfärbungen kann ich beim besten Willen nicht entdecken, Nina Simones Stimme klingt tonal perfekt korrekt, die Sängerin klingt kraftvoll, aber niemals angestrengt. Die Fyne ist dabei zu einer Raumillusion fähig, die mitunter schon Kopfhörerqualitäten hat – hier zahlt sich das Koaxialprinzip definitiv aus.  

Gemessenes:
Lautsprecher Fyne Audio Vintage Classic Gold XV SP im Test, Bild

Auch diese Inkarnation der großen Fyne zeigt sich messtechnisch sehr gesittet. Im Fre-quenzbereich fällt der immense Tiefgang bis unter 30 Hertz auf, die leichte Anhebung im Oberbassbe-reich sei ihr zugestanden. Im gesamten Frequenzbereich fällt das sehr gute Rundstrahlverhalten auf, der Hochtöner benimmt sich auch oberhalb von 20 Kilohertz tadellos, was für einen so großen Druck-kammertreiber sehr selten ist. Der mittlere Wirkungsgrad liegt bei etwa 92 Dezibel, der Impedanzschrieb zeigt nicht linearisiertes Acht-Ohm-Verhalten. Die Gehäuseabstimmung liegt sehr tief, wie der Frequenzgang schon zeigte. Das Verzerrungsverhalten ist vorbildlich, der Anstieg der hornbedingten Verzerrungen bei hohen Frequenzen ist sehr moderat. Auch das Wasserfalldiagramm zeigt keine nennenswerten Auffälligkeiten, 


Unterm Strich...

So geht das: Tiefgang, Autorität und Feingeist gehen perfekt zusammen, kombiniert mit einer großartigen Raumabbildung. Ein in jeder Hinsicht großer Lautsprecher.

KategorieLautsprecher
ProduktVintage Classic Gold XV SP
HerstellerFyne Audio
Preis18000 Euro
Preis Zusatz Paarpreis
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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