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Einzeltest > Plattenspieler > 10.03.2025

Neues aus dem Rabenhorst

Eigentlich ist er fertig mit dem Thema Plattenspieler. Über die letzten 20 Jahre hat er so ziemlich jede Variante seines „Raven“-Konzeptes realisiert und alles gebaut, was man auf Basis eines Riemenantriebes so machen kann. Oder?

Plattenspieler TW Acustic Raven GT2 Basic / Tonarm Raven 9.5

Modellpolitisches
Eigentlich ist Tom Woschnick das Plattenspielerthema immer ziemlich pragmatisch angegangen. Ein im Prinzip simpler Riemenantrieb bildet die Basis aller seiner Laufwerke, von denen wir hier – ich hab’s mal gezählt – nunmehr die siebte Variante vorstellen. Nun ist der TW Acustic-Eigner in mechanischer Hinsicht aber ein Perfektionist allererster Kajüte, weshalb er jedes Detail seiner „Raven“-Dreher bis zum Exzess auf die Spitze getrieben hat. Was zur Folge hat, dass die Ergebnisse nicht wirklich günstig zu haben sind. Eine Art Einsteigermodell müsse her, befand sein Deutschlandvertriebsmann Jan Sieveking, und der ist mit dem Modell Raven GT2 Basic nunmehr Realität geworden. Gerne – wie hier – genommen mit dem neuen Tonarm Raven 9.5. Das Laufwerk gibt’s für 6500 Euro, den Arm für 2900. Das ist zwar beileibe nichts, was man mal eben aus der Portokasse grabbelt, aber immerhin ein gutes Drittel unterhalb dessen, was alle anderen der handgefertigten Preziosen aus dem Ruhrgebiet kosten. A propos: Tom Woschnick schraubt mittlerweile in einer sehr „ruhrgebietsmäßigen“ Location in der Peripherie von Bochum-Wattenscheid und nicht mehr, wie früher, in Herne. Was seiner unnachgiebigen Herangehensweise ans Thema Plattenspieler jedoch mit Sicherheit keinen Abbruch tut.   

Der GT2 Basic
Was bei TW Einsteigermodell heißt, würde bei anderen Herstellern bequem als Spitzenmodell durchgehen.


Der Raven GT2 Basic ist das Sonderangebot im Land der Superplattenspieler
Die relativ kompakte Laufwerksbasis tauchte in dieser Form erstmals beim Modell Raven One auf, das war 2008, zumindest die charakteristische Form mit den beiden „Mickey- Mouse-Ohren“. Während damals eine Kunststoffzarge mit Edelstahleinlage das Mittel der Wahl für die Grundplatte waren, ist es heute eine massive Aluminiumplatte, die die Achse des invertierten Tellerlagers trägt – die trägt die Hauptverantwortung für die rund 20 Kilogramm Gesamtgewicht der Konstruktion. Beim Teller dann ist Kunststoff das Mittel der Wahl. Der dicke Zylinder besteht einmal mehr aus dem ausgezeichnet dämpfenden und sehr dimensionsstabilen POM. Mittig ist eine imposante Bronzehülse eingelassen, die die Lagerbüchse bildet. Die satt dimensionierte Lagerachse trägt an ihrer Oberseite eine Keramikkugel, die gegen einen Lagerspiegel aus dem Spezialkunststoff „S grün“ arbeitet. Die Kugel arbeitet während der ersten Betriebsstunden eine Vertiefung in die relativ weiche Kunststoffscheibe ein, in der sie dann bis ans Ende aller Tage stabil läuft. Das Lager ist mit sehr wenig Öl glücklich und darf als weitgehend perfekt gelten. Angetrieben wird der GT2 Basic einmal mehr von einem elektronisch geregelten Gleichstrommotor der Firma EBM Pabst. Tom Woschnick war seinerzeit der Erste, der diese Preziose für den Plattenspielermarkt entdeckte. Allerdings nimmt er seine Motoren komplett auseinander und baut sie so wieder zusammen, dass sie erheblich laufruhiger agieren als die Serientypen. In diesem Fall sitzt der Motor „auf zwölf Uhr“ in der Aluzarge, nur das Pulley ragt oben heraus. Eine dementsprechend kurze Variante des qualitativ exzellenten TW Acustic-Gummiriemens besorgt die Kraftübertragung.   

Elektronisches
Die Steuerung des Motors besorgt ein Mikrocontroller, der mit der nötigen Peripherie auf einer Platine werkelt, die in der Lausfwerksbasis untergebracht wurde.  Als mal keine externe Motorsteuerung, wie jahrzehntelang auch bei TW Acustic üblich, sondern eine kompakte, einteilig Angelegenheit. Bedient wird das Ganze über sechs Taster (Edelstahlkugeln) und ein paar Leuchtdioden in einem kleinen Bedienteil mittig auf der Stirnseite des Gerätes. Eine sehr praxisgerechte und vernünftige Lösung. Die Geschwindigkeitsfeineinstellung funktioniert einfach und feinfühlig – alles bestens.   

Tonarm

Auf dem rechten „Mickey-Mouse-Ohr“ ist die schwenkbare Tonarmbasis montiert – die Montage eines zweiten Auslegers auf der anderen Seite ist bei Bedarf möglich.

So sieht ein korrekt justierter Abtaster auf dem Raven 9.5 aus
Woschnick setzt für die Einstellung des korrekten Montageabstandes seit vielen Jahren auf ein trickreiches Lochmuster in seiner Armbasis und der darunter liegenden Zwischenplatte. Mittels eines Stahlstiftes ist der gewünschte Abstand so einfach und präzise einstellbar. Die Universalbasis trägt am anderen Ende einen für den jeweiligen Arm passenden Edelstahleinsatz. Bereits das ist ein Aufwand, der andernorts entweder gar nicht oder nur für horrendes Geld zu bekommen ist. Bei uns fand der jüngste Spross der Raven- Tonarmfamile, der 9.5 seinen Platz auf dem Laufwerk. Interessanterweise ist die kurze Armvariante die letzte, die Reise begann bereits 2010 mit einem 10,5“ lan gen Modell, gefolgt von einem Zwölfzöller ein paar Jahre später. Der 9.5 ist bewusst auf einen Montageabstand von 222 Millimetern hin konzipiert. Das ist das Standard-Rega-Maß und ermöglicht die Verwendung des Armes auf sehr vielen Plattenspielern. Mit einer effektiven Masse von zwölf Gramm ist er zudem sehr „mittelschwer“ und mit einer Vielzahl von Abtastern kompatibel. Bei der Geometrie des Arms weicht der Hersteller ein wenig von gängigen Standards ab und optimierte das Headshell für eine Justage nach Löfgren-S, was zumindest in der Theorie für im Mittel gerin gere Spurfehlwinkel sorgt als die übliche Baerwald-Einstellung. Eine sehr gelungene (und ein bisschen von der Graham-Lösung inspirierte) Justageschablone liegt bei. Diese wird aufs Headshell geklipst und der Tonabnehmer verdreht und verschoben, bis der Nadelträger genau mit der Line auf der klappbaren transparenten Einstellhilfe deckungsgleich ist. Das hat den Vorteil, dass man damit sogar nicht ganz gerade Tonabnehmer korrekt eingestellt bekommt. Der überaus solide wirkende Arm arbeitet mit einem Aluminiumrohr, das rückseitig in einem massiven Lagergehäuse steckt. Dort sorgen zwei auf besondere Leichtgängigkeit selektierte Lager für ungehemmte Bewegungsfreiheit in der Vertikalen, für die Horizontale sind Kugellager im Edelstahl- Tonarmschaft zuständig. Die Auflagekrafteinstellug erfolgt über ein exzentrisch gebohrtes Edelstahlgewicht, das auf rükseitigen Edelstahlausleger frei verschiebbar ist. Das ist die Einstellung fürs Grobe, die Feinjustage erledigt ein kleines Gewicht an der Rückseite, das man über ein Feingewinde herausdrehen kann und so sehr genau dosierbar Auflagekraft zugeben kann. Das Antiskating erfolg magnetisch, die Magnetverstellung residiert auf einem separaten Ausleger. Ein wiederum sehr pragmatischer Tonarm, bei dem die exzellente Fertigungsquaität und der Blick für die Details begeistern.   

Klang

Und womit wollen wir hören? Im Umfeld dieses Heftes viel die Entscheidung nicht schwer – natürlich durfte das DS Audio DS-E3 unter dem Headshell des 9.5 Platz nehmen. Die Justage mit der „Klemmlehre“ war ein Kinderspiel und das klangliche Ergebnis, sogar noch mit geschätzter Antiskating-Einstellung, war aus dem Stand umwerfend. DS Audio-Abtaster sind für ihre geradlinige, dynamische, mitunter gar (im besten Sinne) an digitale Wiedergabemedien erinnernde Ausdrucksstärke bekannt, und das exerziert diese Kombination mit Bravour vor. Mit welch einer Energie der junge Robert Plant „Babe I’m Gonna Leave You“ und „How Many More Times“ ins Mikro brüllt ist förmlich erschütternd. Das, aber erzählen Sie’s nicht weiter, geht auch mit meinem Air Force III nicht eindringlicher. Bill Hendersons unvergessliches „Send In The Clowns“ sortiert die Kombi wunderbar akribisch, die vielen kleinen Nebengeräusche klingen extrem natürlich, die Gesangsstimme tönt warm und eindringlich – besser geht’s kaum. Ähnlich emotional und perfekt sortiert zelebriert Neil Young seinen unsterblichen Massey Hall-Auftritt und für mich steht fest: Mit dieser Zusammenstellung bewegt man sich sehr nahe an der Grenze dessen, was in Sachen Schallplattenwiedergabe möglich ist. 


Unterm Strich...

Raven GT2 Basic und Tonarm 9.5 dürften derzeit der preiswerteste Einstieg in die Welt der endgültigen Plattenspieler sein. So dynamisch, emotional und großräumig spielt in dieser Klasse sonst keiner.

KategoriePlattenspieler
ProduktRaven GT2 Basic / Tonarm Raven 9.5
HerstellerTW Acustic
Preis6500 Euro
Preis Zusatz Raven GT2 Basic / 2.900 Euro Raven 9.5
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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