Aktivweiche Accuphase DF-75 im Test, Bild
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Einzeltest > Aktivweiche > 11.04.2025

Digitaltechnik auf den Punkt gebracht

Möglicherweise ist das hier das extremste Gerät, dass ich je das Vergnügen hatte zu testen. Dabei ist es so besonders, dass es noch nicht einmal auf der Webseite des Vertriebs auftaucht.

Aktivweiche Accuphase DF-75

Nur, damit wir nicht aneinander vorbeireden: Mehrwegelautsprecher kann man auf zwei Arten und Weisen realisieren. Bei der klassisch passiven Variante sorgt ein Netzwerk aus Spulen, Kondensatoren und Widerständen für eine Aufteilung des vom Verstärker gelieferten Musiksignals auf die Tief-, Mittel- und Hochtöner des Lautsprechers. Bei einer aktiven Konstruktion bekommt jedes Lautsprecherchassis seinen eigenen Verstärker, die Filterung erfolgt auf Kleinsignalniveau vor den Endstufen. Mit dem Aufkommen digitaler Signalprozessoren (DSP) sah man sich in der Lage, ungleich komplexer und aufwändiger zu filtern und solche Dinge wie lineare Zeitverzögerungen zwischen den einzelnen Zweigen problemlos zu realisieren. Davon ab profitieren die einzelnen Treiber merklich davon, direkt an einem Endstufenausgang zu hängen, weil sie dann über den gesamten Audiofrequenzbereich elektrisch bedämpft werden und nicht nur innerhalb ihres Übertragungsbereiches. In weiten Bereichen der Unterhaltungselektronik sind kompakte Aktivlautsprecherkonzepte üblich und für erstaunlich kleines Geld zu haben, im High-End- Segment tut sich die Angelegenheit noch etwas schwer. Zum einen muss man dabei gehörigen Aufwand in Kauf nehmen (Anzahl der Endverstärkerkanäle gleich Anzahl der Lautsprecherchassis), zum anderen gibt’s kaum so richtig highendige digitale Frequenzweichenlösungen, die den gestandenen Highender hinter dem Ofen hervorlocken.   

Das Modell DF-75 (13.400 Euro) nun ist die jüngste Inkarnation einer digitalen aktiven Frequenzweiche aus dem Hause Accuphase. Über Accuphase als Verstärkerhersteller brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht mehr allzu viel Worte verlieren – Sie wissen, dass ich die champagnerfarbenen Geräte aus Yokohama für die Krone der audiophilen Schöpfung halte.

Aktivweiche Accuphase DF-75 im Test, Bild
Die Rückwand bietet zahlreiche digitale und analoge Signalanschlüsse
In der Welt digitaler Abspielgeräte ist der Ruf des Herstellers ein mindestens ebenso untadeliger, was wir mangels thematischer Affinität in dieser Publikation schlecht überprüfen können. Neben D/A Wandlern, CD- und SACD-Abspielgeräten jedoch gönnt Accuphase sich ein kleine Abteilung mit digitalbasierenden Spezialgeräten, sprich: Equalizern und aktiven Frequenzweichen. Die DF-75 ist, wenn ich richtig rechne, die fünfte Aktivweiche der Japaner und, soviel vorweg, ein Gerät wie kein anderes auf der Welt. Sie bringt alle Segnungen der digitalen Signalverarbeitung mit sich, ist aber komplett „analog“ am Gerät bedienbar und erfordert keinerlei Computereinsatz. Ob ihres gewaltigen Funktionsumfangs ist es völlig ohne Problem möglich, sie zum Herzstück eines aktiven Vierwegesystems zu machen und damit Dinge zu realisieren, die auf passivem Wege gar nicht möglich wären. Zum Beispiel Lautsprecheranordnungen mit sehr langen Hörnern, die eine deutliche Laufzeitanpassung erfordern, um eine homogene Abstrahlung zu erzielen. Das geht mit der DF-75 ohne Probleme, erfordert aber profunde Kenntnisse bei der Lautsprecherentwicklung und entsprechende Messtechnik, weshalb wir an dieser Stelle gar nicht so tief eintauchen wollen. Was wir hier tun wollen ist einen bestehenden passiven Lautsprecher aktivieren, denn das geht mit erheblich geringerem Aufwand. Da trifft es sich gut, dass ich vor vielen Jahren mal einen der großen amerikanischen Studiomonitore in Gestalt der JBL 4355 nachgebaut habe. Meine beiden Exemplare verfügen über ausgelagerte Frequenzweichen, wodurch ich problemlos Zugang zu den Treiberanschlüssen selbst habe – unabdingbar bei der Aktivierung, denn hier müssen ja die Endstufen andocken. Sollten Sie sich für eine solche Vorgehensweise bei Ihren Boxen interessieren müssen Sie sich darüber im Klaren sein, dass das kaum ohne ein paar „bauliche“ Veränderungen an den Lautsprechern geht. Gewiss, man kann die Anschlüsse der einzelnen Treiber zum Beispiel durch das Bassreflexrohr nach außen führen, sehr elegant ist das aber nicht.   

Meine JBL ist ein Vierwegesystem mit zwei 15“-Tieftönern, einem 12“-Mitteltöner; 2“-Druckkammer-Hochtontreiber und einem Schlitzstrahler für den Superhochtonbereich. Die serienmäßige passive Frequenzweiche ist gut dokumentiert, alle Übergangsfrequenzen und Filtersteilheiten sind bekannt. Das sind allerbeste Voraussetzungen für den Aktivbetrieb. Wenn Sie sich mit ihrem Lautsprecher in einer ähnlichen Situation befinden, dann sind die kommenden Ausführungen vielleicht das Richtige für Sie.   

Die DF-75 kommt im klassischen, angenehm unaufgeregten Accuphase-Outfit daher. Das schließt perfekt feinpolierte Echtholz-Seitenwangen mit ein wie eine superfein geschliffene und schwarz eloxierrte Deckelplatte. Sie kann im Stereobetrieb maximal vier Zweige pro Kanal bedienen, passt hier also perfekt. Der Benutzer kommuniziert mit dem Gerät über fünf Bedienfelder, von denen vier für je eine Stereo-Filtereinheit zuständig sind, die zentrale Einheit dient der Datenverwaltung und der Anwahl der gewünschten Eingänge. Davon gibt’s zwei analoge (Cinch und XLR) und drei digitale: koaxial, optisch und der hauseignene HS-Link. Letzterer ist besonders in Verbindung mit anderen Accuphase-Digitalgeräten (Abspielgeräte, Digital-Equalizer) interessant. Die acht Ausgangssignale des Gerätes liegen selbstredend ebenfalls in symmetrischer und unsymmetrischer Form vor.
Aktivweiche Accuphase DF-75 im Test, Bild
Das Gerät ist komplett über die Drehknöpfe an der Front bedienbar
 

Bedient wird das Ganze über zwei kleine Drehknöpfe (einer davon mit Tastfunktion), den sehr angenehmen Accuphase-typischen roten Punktmatrix-Displays und diversen Leuchtdioden. Damit lässt sich die Funktionsweise jedes Zweiges konfigurieren (Hochpass, Tiefpass, Bandpass), die Filtersteilheiten (6 bis 96 Dezibel/Oktave) festlegen, die oberen und unteren Grenzfrequenzen mit beeindruckender Genauigkeit zwischen 10 Hertz und 50 Kilohertz festlegen, die Absolutphase festlegen, der jeweilige Pegel zwischen +12 und -40 Dezibel mit einer Genauigkeit von 0,1 Dezibel variieren, eine Laufzeitkorrektur im Bereich von +/- 30 Metern(!) mit einer Genauigkeit von einem halben Zentimeter einstellen und eine Laufzeitkompensationsfunktion anwählen. Uff. Das ist eine Menge. Wer sich von den Möglichkeiten erschlagen fühlt, den kann ich beruhigen: Ich habe so ein Gerät nie in den Fingern gehabt und hatte mein JBL-Weiche innerhalb von einer halben Stunde komplett „nachgebaut“, die Systematik des Gerätes ist weitgehend selbsterklärend.   

Technik

Wer sich Sorgen vor einer etwaigen Klangverschlechterung durch die böse digitale Signalverarbeitung macht, den kann ich beruhigen: Der Hersteller hat alle Register gezogen, um die Wandler- und Rechenprozesse so transparent wie nur irgend möglich zu machen. Analoge Signale zum Beispiel werden von gleich vier parallel arbeitenden A/D-Wandlerabteilungen im Inneren eines hochmodernen Asahi Kasei- Chips (AK 5578) in Empfang genommen und in ein 32-Bit-Format mit 176 oder 352 Kilohertz Abtastrate umgesetzt. Die Daten werden von einem Analog Devices-Rechenkünstler im 64- oder 40-Bit Fließkommaformat „verrechnet“. Jene Fließkomma- Arithmetik sorgt für eine fast beliebige Genauigkeit und vor allem dafür, dass die Auflösung auch bei kleinsten Signalpegeln nicht signifikant sinkt. Auch auf der D/A-Wandlerseite ging Accuphase in die Vollen: Vier ESS-Chips mit insgesamt 32 Wandlersektionen stellen jedem Ausgangskanal vier parallel arbeitende Wandlerabteilungen zur Verfügung. Das, was da herauskommt ist so analog, wie ein Signal nur sein kann. Dass die Signalführung sowohl auch digitaler als auch auf analoger Seite komplett symmetrisch erfolgt, versteht sich ja wohl von selbst.   

Im Einsatz
Die DF-75 ist eine HiFi-Komponente wir keine andere. Sie ist ein Werkzeug mit gewaltiger Flexibilität, dessen Bedienung nicht weniger darstellt als eine wahre Freude. Mit der Aktivierung meiner 4355 habe ich noch nicht einmal ansatzweise an der Grenze ihrer Möglichlichkeiten gekratzt, das Ergebnis der Aktion kann ich jedoch nur als umwerfend bezeichnen. Ich habe in meinem System noch nie ein so störungsfreie Wiedergabe erlebt, von dem rein klanglichen Zugewinn ganz abgesehen: Der Mittelhochtonbereich gewinnt nach sorgfältiger Justage der Pegel der einzelnen Zweige in einem Maße an Ausdruck und Verständlichkeit, das ich nie für möglich gehalten hätte. Das mag auch an der interessanten Mischung von Halbleiter- und Röhrenverstärkern für die einzelnen Zweige liegen, aber so etwas geht halt auch nur bei aktiver Ansteuerung. Mein Traum wäre ganz klar, mit dieser umwerfenden Maschine ein von vornherein vollaktiv konzipiertes Hornsystem zu realisieren. Mal sehen, die Mittel- und Hochtonabteilungen liegen schon fertig hier. 


Unterm Strich...

Die neue Accuphase-Aktivweiche ist so ziemlich das beeindruckendste Gerät, das ich je im Einsatz hatte. Schon die Aktivierung eines bestehenden Lautsprecherkonzeptes bringt eine derart profunde Verbesserung der Wiedergabe, dass passive Konzepte ab einer gewissen Qualitätsstufe nicht mehr sinnvoll erscheinen.

KategorieAktivweiche
ProduktDF-75
HerstellerAccuphase
Preis13400 Euro
Getestet vonHolger Barske
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Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

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Nur die Ruhe - Phonovorstufe LFD Phono LE (SE) MK II

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Die Überschrift ist keine Ansage an die Leser dieser Publikation, sondern an den highendigen Mitbewerb: Da kommt was auf euch zu, an dem ihr schwer zu schlucken haben werdet.

Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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