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Einzeltest > Phonovorstufe > 10.11.2025

Phono-Gipfeltreffen

Fünf Jahre ist es her, dass Accuphase mit der C-47 den Maßstab in der phonovorverstärkenden Welt zementierte. Nunmehr ist die Zeit für ein Wachablösung gekommen: Die C-57 will der Vorgänger nochmals deutlich toppen. Ist das überhaupt möglich?

Phonovorstufe Accuphase C-57

So richtig angenehm ist mir so etwas nicht, das will ich nicht verhehlen. Vor fünf Jahren habe ich mich mit Feuereifer ans Sezieren des Konzeptes einer Phonovorstufe gemacht, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte und nur anhand von einer Handvoll hochauflösenden Fotos versucht, hinter die Geheimnisse der bis dahin „unerhörten“ brandneuen Accuphase- Phono zu kommen. Als sie dann tatsächlich real erhältlich war, krempelte sie den Markt für solche Geräte mit beeindruckender Gründlichkeit um, und das völlig zurecht. Fünf Jahre später stehe ich vor dem Problem, glaubhaft erklären zu müssen, dass es das noch nicht gewesen ist und das beim Thema Phonovorstufen wohl noch soviel Luft vorhanden war, dass eine C-57 die C-47 ziemlich alt aussehen lässt. Was natürlich irgendwie Blödsinn ist, denn mit dem Erscheinen der C-57 ist die C-47 ja nicht schlechter geworden – sie klingt garantiert noch genauso fantastisch wie vor fünf Jahren. 

Generell bedeutet Produktentwicklung bei Accuphase: Perfektionierung von Details, sorgfältige Weiterentwicklung von bisher Erreichtem. Bei den Phonovorstufen der „Neuzeit“ – beginnend mit dem Modell C-27 aus dem Jahre 2008 – staune ich immer wieder, wie groß die Entwicklungssprünge gegenüber den Vorgängern sind. Die C-57 macht da keine Ausnahme. Sie unterscheidet sich in vielen Punkten von der C-47. Accuphase legt noch mehr Wert auf eine konsequent symmetrische Signalführung und hat in der MC-Abteilung eine Neuerung eingeführt, die schon bei den jüngsten Generationen von Vor-, End- und Vollverstärkern für nennenswerte Fortschritte gesorgt hat. Hinter dem Kürzel „ANCC“ verbirgt sich die „Accuphase Noise and Distortion Cancelling Circuit“ (also: „Rausch- und Verzerrungs-Unterdrückungsschaltung“), und das ist tatsächlich etwas Neues. 

Accuphase setzt schon lange auf Signalverstärkung im Strombereich und erledigt den Übergang in die „Spannungswelt“ erst sehr spät im Signalweg. Das hat eine ganze Reihe von Vorteilen und erlaubt erst den ANCC-Kunstgriff. Der Zweck von ANCC ist es, Rausch- und Verzerrungskomponenten im Signal zu erkennen und durch Einspeisung eines gegenphasigen Stroms zu löschen. Die Schaltung stellt hohe Anforderungen an die Qualität des „Korrekturverstärkers“, was sehr sorgfältige Bauteileauswahl und einen hohen Selektionsgrad erfordert. Was man in Yokohama offenbar mit Bravour beherrscht. Bevor wir uns weiter über technischen Details verlieren, wollen wir jedoch erst einmal aufs große Ganze schauen. 

Optisch unterscheidet sich sie C-57 nur minimal von der C-47. Ein paar Änderungen am Frontplatten-Layout sind eher kosmetischer Natur, das macht man bei Accuphase anlässlich eines Modellwechsels gerne.  So mutierte der Wahlschalter für die Eingangsimpedanz nunmehr zu einem „richtigen“ Drehschalter, während bei der C-47 die Funktion noch von einem kleinen Knöpfchen unterhalb des Displays übernommen wurde. Auch freuen wir uns über die neu hinzugekommene Möglichkeit, MCs mit 60 Ohm abzuschließen. Die Bedienung ist hüben wie drüben selbsterklärend. Ein überaus satt rastender Drehschalter – den macht Accuphase natürlich selbst, wie auch den für die Eingangsimpedanz – erlaubt die Anwahl von gleich vier Eingängen. Auch das gibt’s nicht alle Tage. Die drei unsymmetrischen Abtasteranschlüsse können mit MM- oder MC-Tonabnehmern beaufschlagt werden, der symmetrische XLR-Anschluss ist exklusiv dem MC-Betrieb vorbehalten. Wie schon bei der C-47 argumentiert Accuphase diesen Umstand damit, dass symmetrischer Betrieb von MM-Abtastrern unter bestimmten Bedingungen zu Problemen führen kann – etwa dann, wenn die Gehäusemasse mit auf einer der Signalmasseanschlüsse liegt, was bei MMs durchaus schon mal vorkommt. Mittels „MM/MC“- und „Gain“-Tastern lassen sich vier Verstärkungen zwischen 34 und 70 Dezibel einstellen, was garantiert für alle Lebenslagen passt und außerdem – wen wundert’s – exakt mit den gemessenen Werten übereinstimmt. MM-Abtaster lassen sich übrigens mit einem, 47 und 100 Kiloohm abschließen, ein sehr ungewöhnliches Feature. 

Rückseitig gibt’s die erwähnten vier Eingangsbuchsenpaare zu bestaunen,


Vier Eingänge qualifizieren die C-57 auch für große Phono-Installationen
von denen jedes tatsächlich über eine eigene solide Erdungsklemme verfügt. Wer schon einmal versucht hat, tatsächlich mehrere Erdungsanschlüsse unter eine Polklemme zu pfriemeln, der weiß solcherlei Weitsicht zu schätzen. Ausgangsseitig gibt’s natürlich ebenfalls XLR und Cinch und die C-57 wäre kein Accuphase-Gerät, wenn sich die Polarität der XLR-Buchsen nicht umschalten ließe. Den – da wiederhole ich mich gerne – bis in den allerletzten Winkel perfekten Eindruck rundet eine kompromisslose Gehäusekonstruktion mit feinst polierten Echtholz-Seitenwangen und, der aktuellen Gestaltungsweise für Gehäusedeckel folgend, sanft gebürsteter Aluminiumoberseite ab. Das Resultat: knapp 15 Kilo absoluten Hochgenusses. 

Der getriebene schaltungstechnische Aufwand spiegelt den absoluten Anspruch der C-57 auch für ungeübte wieder. Die große Verstärkerplatine ist ein Layout-Kunstwerk mit gewaltigen Mengen von Bauteilen. Dabei kommen sowohl „bedrahtete“ als auch SMD-Komponenten zum Zuge, der Hersteller setzt völlig pragmatisch auf ein friedliches Miteinander von diskreten und integrierten Halbleitern. Die Platine ist spiegelsymmetrisch nach Kanälen und Funktionsgruppen aufgeteilt. Vielleicht noch interessant: die Eingangsverstärkung für MC-Abtaster übernehmen acht parallelgeschaltete bipolare Transistoren, die für MMs drei parallele JFETs. Stromversorgung? Luxuriös – ist doch klar. Jeder Kanal verfügt über seine eigenen geschirmten und vergossenen Ringkerntrafo, die durch ihre exemplarische Geräuscharmut auffallen. Eine großzügige Stromversorgungsplatine in der Gehäusemitte regelt mittels diskreten Stabilisierugsschaltungen die Versorgungsspannungen ebenfalls fein säuberlich kanalgetrennt. Sogar beim Platinenmaterial ließ Accuphase sich auf keinerlei Kompromisse ein und wählte ein Teflon-basiertes Platinenmaterial mit besonders guten Hochfrequenzeigenschaften. Was noch fehlt? Vielleicht ein Transimpedanz-( Strom-)Eingang für MC-Abtaster. Oder einer für elektrooptische Abtaster von DS Audio. Aber irgendwas muss ja auch noch für eine potenzielle C-67 in vielleicht fünf oder sechs Jahren zu tun bleiben. 

Wir im Hier und Jetzt jedenfalls dürfen uns über ein Phonovorstufe freuen, die vielleicht bei unsymmetrischem Anschluss noch auf dem Niveau ihres Vorgängers spielt, bei symmetrischem Betrieb der C-47 jedoch deutlich den Rang abläuft. Bereits bei einem Abtaster wie dem großartigen EMT JSD 6, bei dem die extremen Fähigkeiten der C-57 im Bereich geringster Signalspannungen noch nicht so zum Tragen kommen (das EMT liefert ein sattes Millivolt bei einer Schnelle von fünf Zentimetern pro Sekunde) öffnet die C-57 den Raum wie kaum eine andere Phonovorstufe vor ihr, sie schafft einen nahezu erschreckenden Realismus und eine absolut mitreißende Performance. Noch nie habe ich Rickie Lee Jones auf der hervorragenden 45er Ausgabe von „It’s Like This“ (2000) so dramatisch, so detailliert und emotional erleben dürfen. Dabei ist das noch nicht alles, was die C-57 zu vermitteln im Stand ist: Wer noch mehr Feinsinn, Hintergründigkeit und Magie will, der darf gerne ein Kaliber wie das Lyra Atlas Lambda bemühen, mit dem die C-57 eine praktisch perfekt harmonische Symbiose eingeht. Die letzte Härte verschwindet, der Grad an Entspannung steigt – was ich zuvor kaum für möglich gehalten hätte. Bestens nachzuvollziehen mit dem großartigen Montgomery Brothers-Album „Groove Yard“ aus dem Jahre 1961. Die extrem gefühlvolle Einspielung lebt vom Spiel mit der noch jungen Stereofonie und dieses Setup zelebriert Timing, Rhythmus und Gefühl in absolut überragendem Maße. Auch für Leute, die mit Jazz-Quartetten ansonsten nicht allzuviel anfangen können, ist das hier eine Offenbarung in Sachen musikalischer Magie. Die C-57 hat an der spektakulären Bühnendarstellung und der perfekten Separation der Instrumente einen nicht zu unterschätzenden Anteil und verweist die C-47 diesbezüglich klar in die Schranken. Kaum zu fassen, aber nicht zu leugnen. Und ein eindeutiges Statement für den symmetrischen Tonabnehmeranschluss. 

Gemessenes 

 
Wie zu erwarten, wartet die C-57 mit praktisch der gleichen messtechnischen Perfektion auf wie seinerzeit die C-47. Der Frequzenzgang verläuft perfekt RIAA-konform, die Störabstände und Kanaltrennung sind praktisch nicht zu verbessern. Bei minimaler Verstärkung maßen wir 78,6 bzw. 77 Dezibel(A) bei 5 Millivolt, bei maximalem Gain immer noch 69,4 respektive 65,4 Dezibel(A) an 0,5 Millivolt Eingangsspannung. Die Verzerrungswerte lagen bei 0,012 und 0,18 Prozent. Das Gerät verbraucht 21 Watt Strom.  

Mitspieler
 
Plattenspieler: 
  •  Thales Elegance 
Tonarme: 
  •  Thales Simplicity II 
Tonabnehmer: 
  •  EMT JSD 6 
  •  Lyra Atlas Lambda 

Vollverstärker: 
  •  Soulnote A-3 

Lautsprecher:  
  •  JBL 4301B 
  •  Opera Quinta V2 

Gegenspieler 
Phonovorstufen: 
  •  Accuphase C-47 
  •  Thrax Cotys  

Gespieltes 
  • Rickie Lee Jones: It’s Like this 
  • Montgomery Brothers: Groove Yard 
  • LA4: Live At Montreux 
  • Chet Baker: Chet 


Fazit

Zugegeben – alles Andere wäre auch eine Enttäuschung gewesen: Die brandneue Accuphase C-57 setzt Maßstäbe in Sachen Timing, Feingeistigkeit und der Art und Weise, wie sie Musik zum Fließen bringt. Der absolute Phono-Traum

KategoriePhonovorstufe
ProduktC-57
HerstellerAccuphase
Preis10500 Euro
Getestet vonHolger Barske
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