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Einzeltest > Plattenspieler > 08.07.2025

Ansatzlos

Ich habe ein Faible für Reibradspieler und klassische Drehtonarme. Aber glaubt mir, mit diesem Plattenspieler könnte ich alt werden, weil er so unverschämt gut Musik macht. Schauen wir mal, warum.

Plattenspieler Vertere DGX Dark Sabre Pack

Nachdem ich die sehr teure Vertere Calon Referenz-Phonovorstufe klanglich einfach überragend fand, sitze ich heute vor dem Einsteigerplattenspieler von Vertere, der in dieser Version längst keinen Einsteigerpreis mehr hat und auch sonst jedem Einsteiger die Rücklichter zeigt. Denn er klingt mit dem auch nicht mehr günstigen Top-MM-Tonabnehmer Vertere Dark Sabre derart gut, dass ich mich frage, warum man eigentlich mehr Plattenspieler braucht. Und wie macht Touraj Moghaddam das? Sein Vermögen, in jedem Produkt, das ich bislang von ihm hören durfte, sozusagen klanglich mit einer ungeheuer stimmigen, musikalischen Grundstruktur statt zu finden, erinnert mich an Karl-Heinz Wehrheim, einen großen Winzer aus der Pfalz. Ich habe Karl-Heinz einmal gefragt, wie es sein kann, das bereits sein günstigster Wein so gut schmeckt, so typisch Wehrheim halt. „Wenn er das nicht tun würde, käme er zur  Kooperative.“ Seine Antwort könnte  auch von Moghaddam kommen, mit dem Unterschied, dass er das Gerät dann einfach nicht auf den Markt brächte.  

Dieser Tonarm 
Der neue „Einsteiger“-Tonarm, Groove Runner X genannt, ist das auffälligste Neudesign am DGX. Die ersten beiden Versionen des Plattenspielers, DG-1 und DG-1S, hatten einen Tonarm mit einer vergleichbaren Armwandkonstruktion, aber einer völlig anderen Lagerung.


Dem Dark Sabre MM-Tonabnehmer gebührt ein eigener Bericht, so gut ist er. Quasi ein MM-Shiraz mit überragendem Klang
Touraj hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er die Lagerung seiner Spitzentonarme vereinfacht herunter brechen konnte. Seine erste Lösung war eine horizontale und vertikale Fadenaufhängung. Das schreckte aber viele Nutzer und selbst auch Händler ab, obwohl Moghaddam das kaum verstehen kann. Also fragte er sich, wie er das Design für die Händler und Endkunden noch einfacher, noch benutzerfreundlicher machen konnte. Also designte er vor allem die Armlagerung neu und zwar so, dass der Arm sowohl einfach zu nutzen und einzustellen sowie klanglich kompromissfrei ist, mithin ein Ding der Unmöglichkeit. Doch Moghaddam hat es hinbekommen und das mit einem ebenso einfachen wie genialen Clou: die Armwände, DGX Arm-Beam genannt, lassen sich extrem leicht austauschen: einfach den USB-Stecker (ich habe mich nicht verschrieben und finde die Lösung großartig) am Tonarmsockel abziehen, und den Arm nach oben aus seinem Einpunkt-Spitzen-Lager (das auf drei nichtmagnetischen Silikon-Nitrid-Kugeln ruht) abheben, fertig. So kann man, und so kann vor allem auch der Händler unterschiedliche Tonabnehmer vormontieren und innerhalb von 20 Sekunden austauschen und vorspielen - das schafft jedes Klanggedächtnis. Moghaddam meint, dass der neue Tonarm sicher 60-70% der neuen Qualität des DGX ausmacht. Ok, mit 798 Euro sind diese Austausch-ArmBeams kein Sonderangebot, aber sie sind auch viel mehr als nur ein Austausch-Headshell mit vormontiertem Tonabnehmer. Hier bekommt man einen kompletten Arm mit allen Gewichten, der Lagerhülse und dem Antiskatinggewicht und kann nach dem Austausch sofort los spielen. In Anbetracht des Klangvermögens des DGX und der damit verbundenen Bequemlichkeit würde ich mir einfach nach und nach welche anschaffen, denn wo sonst kann man derart leicht, schnell und effektiv seine Tonabnehmer tauschen, ohne einen zweiten Tonarm oder gar weitere Plattenspieler aufbauen zu müssen? Touraj grinste und meinte, dass der DGX, trotz der ganzen, teuren Vertere- Topmodelle, wahrscheinlich sein ausgereiftester Plattenspieler sei, denn alleine an der X-Version habe er gut ein Jahr lang gearbeitet. Auf dem Rohr lässt sich über eine mit Buchstaben von A-H bezeichnete Skala die effektive Masse des Arms analog zum verwendeten Tonabnehmer einstellen. Dazu wird es noch ein Video geben, ansonsten kann man eine Testschallplatte nutzen, um die ideale Resonanzfrequenz der Tonabnehmer-Arm-Kombination heraus zu finden. In einer idealen Welt tut das der Händler für seine Kunden, selbst darf man dann nur noch Platten auflegen. Das Gegengewicht hinten hat einen Ausleger für die Azimuthverstellung, falls nötig. Die Feineinstellung der Auflage erfolgt wie gehabt mit einem zweiten Gewicht und Skala. Das Antiskating ist mit Gewicht und Faden gelöst. Mit Hilfe einer kleinen Schraube lässt sich dessen Ausleger verstellen und damit das Antiskating vermindern (nach innen) oder erhöhen (nach außen). Oben auf der Lagerabdeckung sitzt eine weitere Schraube, mit deren Hilfe man die Tonarmhöhe bequem von oben einstellen kann: danke dafür.  

Details

Dann schauen wir mal, was im Vergleich zum Vorgängermodell noch neu ist. Da wäre zum einen die noch feiner polierte Edelstahlspindel – das ist nie verkehrt. Die allgemeine Lagerung ist dieselbe wie zuvor: das Lagergehäuse besteht aus Messing und die Kugel aus Wolframkarbid mit seiner schier diamantenen Härte. Es gibt zwei praktische Auffälligkeiten bei diesem Plattenspieler: der sich im Betrieb selbst zentrierende Pulley und der leicht kippelige Teller. Um das Lager nicht zu belasten oder zu biegen, wenn jemand auf den Teller kommt, lässt er sich in einem gewissen Rahmen kippen, sitzt aber ansonsten perfekt stabil auf der Spindel. Neu ist auch die aktuelle Programmierung der Motorsteuerung, die einen noch ruhigeren Lauf sicherstellen soll.  

Bewährtes 
Der Teller besteht aus einem irren Sandwich. Unten ist das Kork, allerdings nur aus einem einzigen Grund: da der Teller leicht beweglich ist, soll so die Zarge vor Macken geschützt werden

Der will spielen. Aber nicht täuschen lassen: der coole Look kommt nur zusätzlich, der Klang ist überragend
. Dann kommt eine Aluminiumschicht sowie eine sogenannte Toolplate. das sind besonders exakt gefertigte Alumiumplatten, auf denen unter anderem Werkzeuge ausgemessen werden. Obenauf schließlich die vergossene Matte aus Acrylfilz für ein resonanztechnisch perfektes Sandwich. Für alle beweglichen Teile nehmen sie ein speziell für Vertere hergestelltes Öl, das in Sachen Viskosität ideal Verwendung abgestimmt ist. Teil der Formel ist auch ein sogenannter Friction Modifier, der mit unterschiedlichen Reibungsdrücken umgehen kann. Und das Öl muss in die sehr schmale Lücke zwischen Spindel und Lager passen. Für deren Spitze wird dann ein Fett benutzt, das auch die anderen beweglichen Teile schmiert. Deshalb sollte man das Lager auch nicht heraus nehmen, und so kann man es für viele Jahre einfach vergessen und seinen Job machen lassen. Das Subchassis aus Naturkautschuk-Puffern (auch neu) ist als solches kaum wahrnehmbar. Es soll auf jeden Tonabnehmer vom Händler eingestellt werden, nicht vom Benutzer. Etwas übertrieben vielleicht? Ich weiß es nicht. Der Produktdesigner des Plattenspielers arbeitet seit der Roksanzeit für Moghaddam. Er zeichnet noch von Hand und kam mit der Idee für die Aussparungen an der Zarge, ein Details, das auch in der Tonarmwand aufgenommen wird. Die besteht wie gehabt aus zwei dauerelastisch verklebten, fünffach geschichteten Polymerlaminaten, was Steifigkeit und Resonanzarmut maximiert. Die hintere Aussparung der Zarge hat Touraj übrigens verändert, weil man so die Buchsen und ihre Farbkodierung erkennt und die Masseschraube erreicht: der Mann ist einfach gut. Der Dreher steht auf drei verstell-baren Füßen: Kunststoff hinten, Alu vorne, jeweils mit Filzscheiben bedämpft. In unserem Paket befinden sich neben dem Dark Sabre MM-Tonabnehmer zwei Vertere Kabel: das Redline NF- und Stromkabel. Zieht man die ab und sagt sich, ich kann erst einmal mit meinem vorhandenen Tonabnehmer hören, reduziert sich der Paketpreis, dann DGX Raw Pack genannt, auf etwas über 4000 Euro. Zum Dark Sabre müsste ich einen eigenen Artikel schreiben, denn es ist sicher das beste MM-System, das ich kenne. Nur so viel: in guter alter Roksan-Tradition hat der Generator mit neuerdings vier Stiften und Spikes Kontakt mit dem raffiniert konstruierten Alugehäuse: das minimiert wieder einmal Resonanzen und macht den Abtaster stabil und fit, um nichts als Musik aus den Rillen zu extrahieren.  

Dieser Klang 
Ja, auch dieser Einstieg ist unfair, aber so etwas entsteht eben im Testalltag. Wir hatten dieselbe Platte (Dominic Miller Silent Light) zuvor auf dem wahrlich nicht schlechten Rega Planar 3 RS mit dem Nd5 Tonabnehmer gehört. Rüber auf den Vertere DGX tat sich, und das ist kein Geschwätz, eine neue Welt auf. Wobei, wenn’s nur eine wäre. Auf einmal bekam die Gitarre, bekam jede Note Glanz und Luft, waren Perkussionseffekte plötzlich im Raum verortbar, wo sie vorher irgendwo waren, wenn überhaupt. Und die Ansatzlosigkeit von Riffs, das Auf- und Abtauchen von Klängen war derart präsent, dass Kollege Barske und ich uns nur angeschaut haben: “So muss das.“ Die Konstrukti-on ist ja durchaus flexibel. Aber man braucht nicht zu glauben, dass es der Klang auch wäre. Ok, elastisch ist er, aber ansonsten superstabil. Es gibt nicht viele Hersteller, die einem einpunktgelagerten Tonarm eine derartige Stabilität angedeihen lassen können wie Moghaddam. Und dann klingen und schwingen die Noten so delikat, so lecker, so griffig und schön, dass mir fast die Tränen kommen. Aber nicht täuschen lassen: wenn die Musik das hergibt, kann er auch wie ein Hammer zuschlagen. Das muss ich erst einmal verdauen. Mal schauen, was ich da mache, denn ich möchte jetzt auch so einen, so gut ist er. 


Fazit

Wenn ich mir einen idealen Plattenspieler malen könnte, dann würde so etwas wie der Vertere DGX dabei herauskommen: einfach im Handling, cool anzusehen und überragend im Klang.

KategoriePlattenspieler
ProduktDGX Dark Sabre Pack
HerstellerVertere
Preis7598 Euro
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Logo LP:Magazin

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Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


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