Phonovorstufe Thivan Labs P20 im Test, Bild
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Einzeltest > Phonovorstufe > 05.05.2025

Ob sie’s noch können?

Über Jahre waren die Röhrenverstärker des vietnamesischen Herstellers Thivan Labs der ganz heiße Scheiß in der HiFi-Szene. Mittlerweile ist etwas Ruhe eingekehrt im Portfolio, von entspanntem Zurücklehnen kann in der Entwicklungsabteilung aber keine Rede sein.

Phonovorstufe Thivan Labs P20

Vorgeschichte
Da gab’s mal ein Gerät namens P5, seines Zeichens die erste Phonovorstufe aus dem Hause Thivan Labs, bei uns anno 2020 zu Gast. Seinerzeit nur zur Verstärkung von MM-Signalen fähig, erforderte der MCBetrieb das Aufrüsten mittels eines externen Übertragers – auch den lieferte Thivan Labs auf Wunsch. Mittlerweile ist das Ganze zu einer „richtigen“ Komplettlösung namens P20 mutiert, um die es an dieser Stelle gehen soll. Das soll heißen: Der P20 ist von vornherein uneingeschränkt MC-tauglich, weil die MC-Übertrager gleich mit eingebaut wurden. Wir erinnern uns: röhrenbestückte Phonovorstufen – und um eine solche handelt es sich hier – sind ohne Weiteres nur sehr bedingt in der Lage, die winzigen Signale von MC-Abtastern auf ein brauchbares Niveau zu liften. Spannungen im Mikrovoltbereich sind nicht das bevorzugte Arbeitsfeld von Elektronenröhren – wenngleich es ein paar ziemlich gut funktionierende Gegenbeispiele dafür am Markt gibt. In aller Regel jedoch gilt beim MCBetrieb: Wenn du einen Röhrenentzerrer willst, musst du Übertrager vorschalten.  

Ausstattung
Und zweifellos hat der vietnamesische Hersteller hier ein absolutes Prachtexemplar eines solchen abgeliefert: In dem 18 Kilogramm schweren Full-Size-Gehäuse sorgen vier Röhren für die Verstärkung der Phonosignale, die Topologie ist übrigens merklich anders als beim eingangs erwähnten Modell P5. Die Neuerungen haben ihren Preis: Mit 3800 Euro ist der P20 in ziemlich erwachsenen Regionen angekommen, muss also auch entsprechend liefern. Auf der Frontplatte gibt’s neben dem Netzschalter zwei Drehknöpfe und einen Kippschalter. Der linke Knopf stellt den Ausgangspegel ein, womit sich der P20 bestens zum Direktanschluss einer Endstufe eignet. Rechts kann man zwischen drei Eingängen umschalten: Zwei Paar Cinchbuchsen sind MM-Abtastern vorbehalten, das dritte dient dem MC-Anschluss. Ausgangsseitig gesellt sich ein Paar XLR-Verbinder zu einem, Cinch-Ausgang, hierbei handelt es sich um übertragergekoppelte Ausgänge, über die noch zu reden sein wird. Der Kippschalter an der Gerätefront wirkt geheimnisvoll, schaltet er doch zwischen den Betriebsarten „Standard“ und „Dynamic“ um. In der Praxis entpuppt sich das lediglich um eine Variation der Gesamtverstärkung um etwa vier Dezibel. Und natürlich ist die lautere Einstellung „Dynamic“. Bei voll aufgedrehtem Pegelsteller (was die normale Einstellung sein sollte, wenn man das Gerät an einem Vor- oder Vollverstärker betreibt, den Pegelsteller also nicht benutzt) liefert das Gerät zwischen 47 und etwa 65,5 Dezibel Verstärkung, was in der Praxis für fast alle gängigen Tonabnehmer im grünen Bereich ist. Lediglich extrem leise MCs würden sich über ein paar Dezibelchen mehr an Verstärkung freuen, aber die sind selten. Daraus lässt sich nunmehr ableiten, dass die eingebauten Übertrager um etwa 14,5 Dezibel verstärken, was eher zurückhaltend ist.   

Mechanik
Rein mechanisch ist auch dieses Thivan- Gerät mal wieder ein Fest für alle Sinne. Es steckt in einem mit Echtholz furnierten Rahmen, dem oben und unten je eine überaus stabile Stahlblechplatte satt Substanz verleihen. Durch ein Plexiglasfenster in der vorderen rechten Ecke lassen sich die vier Röhren bei der Arbeit beobachten, großzügige Bohrungen sorgen für Belüftung. Die ganze Pracht des Aufbaus wird erst nach dem Entfernen des Deckels sichtbar, was sich, einer schlauen Befestigung sei Dank, mit einer einzigen Schraube und etwas Fingerspitzengefühl realisieren lässt.  

Technik
Im wie immer extrem ordentlich realisierten Geräteinneren lassen sich – zusätzlich zu den beiden MC-Trafos – gleich drei Trafos und zwei Drosseln ausmachen.

Phonovorstufe Thivan Labs P20 im Test, Bild
Den Röhren kann man durch einen Plexiglasdeckel bei der Arbeit zusehen
Letztere dürften der Siebung von Hoch- und Heizspannung zugehörig sein. Zwei Übertrager stellen das Bindeglied zwischen der Ausgangsstufe und den Ausgangsbuchsen her. Leider hat der Hersteller hier aus mir unverständlichen Gründen die Chance vertan, die XLR-Buchsen mit echt symmetrischen Signalen zu beschalten. Bleibt die letzte Induktivität im Bunde – der Netztrafo. Das imposante Ringkernmodell stünde auch einem ausgewachsenen Vollverstärker gut zu Gesicht. Ansonsten freuen wir uns über reichlich Siebkapazität und diverse feine NOS-Bauteile im Signalweg. Auf der Röhrenplatine stecken zwei ECC83 (12AX7), eine ECC82 (12AU7) und eine 6SN7. Bei letzterer vertraut der Hersteller auf gute alte Ware aus der Sovietunion, je ein System dieser Doppeltriode bildet die Ausgangsstufe des Gerätes. Die drei Novalröhren sind mittels Abschirmbechern gegen Ungemach von außen abgeschirmt, sicher kein Fehler in einer Phonovorstufe. Bei den beiden Eingangsübertragern warnt ein Aufkleber vor Garantieverlust beim Entfernen des Aufklebers – das ist nicht ohne Ironie. Machen wir uns nichts vor: Die Platine mit den beiden Trafos gibt‘s (ohne Garantieaufkleber) bei Aliexpress zu kaufen. Was ja per se nichts Schlimmes ist, man sollte als Gerätehersteller aber dazu stehen. Die rückseitig per Drehschalter fünffach zwischen 222 und 470 Ohm einstellbare MC-Eingangsimpedanz wird mittels Widerständen direkt am Eingang erledigt und nicht, wie üblich, nach den Eingangsübertragern.

Klang
Bieten wir dem P20 doch gleich mal die Gelegenheit zu glänzen und verbandeln ihn mit dem traumhaften Skyanalog-Jubiläumsabtaster „Diamond“. Am p20 will dieses Traum-MC etwas höher abgeschlossen werden als üblich, weshalb der Drehschalter auf die 470-Ohm-Position wanderte. So betrieben, stellte sich ein wunderbar runder, ja fast schon blumiger Klang ein. Die Thivan-Phono macht gar keinen Hehl daraus, ein Röhrengerät zu sein und verwöhnt mit einem wohlig-warmen Bass und leicht ätherischen Höhen. Das ist nichts für Linearitätsfanatiker, ganz sicher aber für Genusshörer. Die allerdings dürften sich über die überzeugend energische Stimme einer Ella Fitzgerald freuen, den extrem gefühlvollen und detaillierten Trompetenton eines Chet Baker und die ausgezeichnete dynamische Spannweite der Karajan-Aida. Der Charakter bleibt glücklicherweise auch beim Einsatz eines deutlich diesseitigeren Tonabnehmers wie dem Denon DL-103R erhalten, auch dieser fühlt sich übrigens bei 470 Ohm am Wohlsten. Wer Röhrenfeeling pur in seiner Phonoabteilung will, für den ist die P20 ein ganz heißer Tipp.  

Gemessenes:
Phonovorstufe Thivan Labs P20 im Test, Bild

Der Frequenzgangschrieb zeigt die P20 im MM-Betrieb in beiden Schalterstellungen (Standard und Dynamic). Generell sind ganz leichte (ein Dezibel) Anhebungen am unteren und oberen Ende des Spektrums zu vermelden, ansonsten ist das Verhalten bis auf einen Pegelunterschied von rund vier Dezibel identisch. Im MM-Modus bei 5 mV am Eingang maßen wir einen Fremdspannungsabstand von 57,3 Dezibel(A), eine Kanaltrennung von 41,2 Dezibel(A) und Verzerrungen in Höhe von 0,25 Prozent. Mit vorgeschalteten MC-Übetragern bei 0,5 mV ergaben sich 45,1 / 44,7 Dezibel(A) und 0,39 Prozent Klirr. Das Gerät verbraucht konstant 24,5 Watt Strom.


Fazit

Satt, farbig, kräftig und ein ganz klein wenig übertrieben schön: Thivan Labs P20 zaubert Röhrenflair pur ins Hörzimmer.

KategoriePhonovorstufe
ProduktP20
HerstellerThivan Labs
Preis3800 Euro
Getestet vonHolger Barske
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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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