Klar wissen Sie, was ein Ortofon SPU ist. Vielleicht haben Sie auch schon einmal mit einem geliebäugelt. Aber die kann man doch standesgemäß nur mit Übertrager betreiben, und die Auswahl dessen ist schwierig. Ortofon hätte da neuerdings zwei feine Problemlösungen im Angebot.
Tonarm / Tonabnehmer Ortofon AS-309R / SPU GTX S / GTX E
Historisches
Wenn man in den härteren HiFi-Zirkeln ernst genommen werden will, dann bestückt man ein Analog-Setup nicht mit irgendwelchem modernen Teufelswerk an Tonabnehmern. Man besinnt sich auf die gute alte Zeit und versucht den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass füher sowieso alles besser war. Die einen haben dem unsterblichen Denon-MC DL-103 ewige Treue geschworen und erklären den seit den frühen Sechzigern produzierten Abaster nach wie vor zum Maß der Dinge, die anderen gehen noch einen Schritt weiter und schwören auf Ortofons SPU-Baureihe. Jene seit den späten Fünfzigern produzierten Abtaster gelten bis zum heutigen Tag als so etwas wie der heilige Gral der MC-Technik, bildeten sie doch die erste Inkarnation einer bis heute eingesetzten Strategie: Um der Rille besser folgen zu können, sollte die bewegte Masse eines Abatsters möglichst klein sein. Bei MCs heißt das: Die Spulen müssen möglichst leicht sein und damit aus so wenig Windungen wie möglich bestehen. Damit einher geht eine sehr niedrige Spulenimpedanz und eine geringe Ausgangsspannung, beides stellt besondere Anforderungen an die Signalverarbeitung.
Die Neuen
Mit den Modellen GTX S und GTX E präsentiert Ortofon nunmehr zwei SPU-Modelle, bei denen die Übertrager gleich eingebaut sind. Das ist möglich, weil die klassischen SPU-Gehäuse ziemlich ausladend sind und Platz genug bieten, dort zwei miniaturisierte Transformatoren unterzubringen, die den direkten Anschluss an eine MM-Phonovorstufe ermöglichen, was für den Anwender gleich eine ganze Reihe von Problemen aus dem Weg räumt: Das Suchen nach einem passenden Übertrager entfällt, die Nähe zum Generator minimiert die Leitungslänge für die winzigen MC-Signale, was die Wahrscheinlichkeit für Probleme mit Störungen deutlich verringert. Die beiden Modelle unterscheiden sich technisch nur bei der Abtastnadel: Das GTX S verfügt über eine klassische Rundnadel, das GTX E über einen elliptisch geschliffenen Diamanten.
Gehäusetechnisches
Die beiden neuen SPUs stecken, wie es sich für Abtaster dieser Zunft gehört, in ziemlich wuchtigen Gehäusen mit SME-Bajonett.
GTX E und GTX S unterscheiden sich ausschließlich durch ihren Nadelschliff Das schränkt die Auswahl geeigneter Tonarme durchaus ein, außerdem braucht man zum stilechten Betrieb der Abtaster einen ziemlichen „Prügel“, will sagen: einen Arm, der 38 Gramm Systemgewicht ausbalancieren kann und sich in Sachen Stabilität dabei nicht irritieren lässt. Glücklicherweise bleiben da nicht nur die zweifellos standesgemäßen alten SMEs – vorzugsweise die schweren 12“-Modelle, sondern auch etwas zeitgemäßes von Ortofon selbst – dazu kommen wir gleich. Bestanden die Gehäuse der klassischen SPUs noch aus einer Harz-/ Holzpartikelmischung, dient hier erstmals ein aus glasfaserverstärktem Co-Polymer gefertigtes einteiliges Bauteil als Gehäuse. Ortofon hebt Formstabilität, Steifigkeit und Resonanzarmut dieser Konstruktion besonders hervor. Außerdem ließ sich damit eine dringend erforderliche Gewichtsreduktion erzielen, die beiden Übertrager fordern halt diesbezüglich ihren Tribut. Trotzdem sind die GTX-Modelle noch rund zehn Gramm schwerer als ihre Verwandten ohne eingebaute Übertrager. Jene lässt der dänische Hersteller übrigens im Nachbarland Schweden vom Spezialisten Lundahl fertigen. Von diesen beiden Preziosen und dem neuen Gehäuse abgesehen, sind die beiden Neuen übrigens weitgehend mit den Modellen SPU #1 S und SPU #1 E identisch, die mit Preisen von 750 respektive 850 Euro den Einstieg in die SPU-Welt markieren. Die beiden GTX-Modelle schlagen mit 1100 respektive 1200 Euro zu Buche, was in Anbetracht heutzutage üblicher Preise noch als sehr human gelten darf. 350 Euro Aufpreis für die beiden Übertrager ist zudem ein mehr als faires Angebot. Wie es sich für „richtige“ SPUs gehört, wollen die beiden GTX-Modelle mit ordentlich Auflagekraft gefahren werden. An vier Gramm – respektive 40 Millinewton – muss man sich als Nicht-SPU-Benutzer erst einmal gewöhnen, Sorgen um seine Schallplatten muss man sich indes nicht machen. Vielmehr sorgen die hohen Kräfte für einen wünschenswert innigen Kontakt zwischen Nadel und Rillenflanke, was der Lebensdauer des Vinyls eher nützt als schadet. Mit 60 μm gibt der Hersteller ein eher moderates Abtastvermögen an, den Wert kann ich in etwa bestätigen, das sollte in der Praxis auch vollkommen ausreichend sein. Die Ausgangsspannung bei einer Schnelle von 5 cm/s beträgt vier Millivolt, womit jede MM-Phonovorstufe bequem zurechtkommen sollte.
Der passende Tonarm Mit dem AS-309R bietet Ortofon einen Arm an, der perfekt zu den schweren SPUs passt. Bei ihm handelt es sich um einen äußerlich schlichten, aber sehr fein verarbeiteten Arm mit einer nominellen Länge von zwölf Zoll.
Der AS-309R ist ein sehr stabiler kardanisch gelagerter Arm Mit seiner effektiven Masse geriet er erstaunlich leicht, ist also für eine große Anzahl von Tonabnehmern geeignet, hat aber auch mit den schweren SPUs keine Probleme. Das ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass zum Lieferumfang der 3100 Euro teuren Preziose zwei Gegengewichte gehören, mit denen sich ein großer Bereich von Abtastermassen abdecken lässt. Der S-309R ist ein klassisch kardanisch gelagerter Tonarm und trägt am vorderen Ende ein SME-Bajonett – klar sonst würden die SPUs ja nicht passen. Alle Metallteile sind in einem fein mattierten Finish ausgeführt, dass optisch sehr edel wirkt. Montiert wird das gute Stück über einen runden Flansch mit drei Befestigungsbohrungen. Der Armschaft durchmisst 18 Millimeter, was mir persönlich das Leben sehr erleichterte, konnte ich meine Armbasis für den Zwölfzöller von Thomas Schick doch auch für den Ortofon verwenden. Unten im Tonarmschaft des Ortofon sitzt ein klassischer Fünfpol-Anschlussstecker, Ortofon legt ein Anschlusskabel von Typ 6NX-TSW-1010 bei. Der Armschaft wird klassisch mittels zweier Klemmschrauben im Montagekragen gehalten und ist somit in der Höhe verstellbar. Wohlwollend nehme ich die kleine Vertiefung mittig im Deckel des Lagergehäuses zur Kenntnis, die bei der Einstellung des Montageabstandes (311 Millimeter) sehr hilfreich sein kann. Die Skating-Kompensation wir mittels Drehknopf an einem Ausleger eingestellt und funktioniert in bewährter Manier mittels Federzug. Das konstruktive Hauptaugenmerk des in Japan gefertigten Arms lag auf einer konsequenten Vermeidung störender Resonanzen und auf einer einfachen Bedienung – beides Aspekte hat der Hersteller mit Bravour gelöst.
Klang GTX S und GTX E am AS-309R gegeneinander zu hören erwies sich als sehr angenehme Angelegenheit. Nicht nur, weil der Systemwechsel ob des praktischen Bajonett- Anschlusses sehr schnell vonstatten ging, auch musste ich keinerlei Justagearbeiten dabei vornehmen, was den Vergleich deutlich erleichtert. Beide Kombinationen machen dem legendären Ruf der SPU-Abtaster alle Ehre. Sie spielen wuchtig und glänzen mit einer sehr farbigen und ausdrucksstarken Wiedergabe. Womit ließe sich das besser unter Beweis stellen als mit dem hochenergetischen Live-Album aus den frühen Tagen der Berliner Stoner-Rockband Kadavar? Wahnsinn, wie druckvoll und souverän sich die beiden Abtaster durch das nicht unbedingt audiophile Material fräsen. Dabei gibt es durchaus Unterschiede auszumachen: Das GTX E sortiert das Geschehen im Raum merklich überzeugender, das GTX S konzentriert das Spektakel etwas mehr in der Mitte der Bühne. Das E-Modell wirkt etwas luftiger nach oben heraus – sofern man bei dieser Art von Musik von „luftig“ sprechen kann, die Rundnadelvariante wirkt stämmiger, mit etwas mehr Zurückhaltung am oberen Ende des Spektrums. Der Eindruck setzte sich auch bei Pink Floyds „Wish You Were Here“ fort, das „E-Modell wirkte weiträumiger und etwas besser sortiert. Wenn’s um den zarten Schmelz bei „Shine On You Crazy Diamond (1-5)“ geht, ist mir das „S“ näher, es tönt einfach ein bisschen sahniger und geschlossener. In vielerlei Hinsicht erinnert es an ein sehr gutes MM-System. Mit gefallen beide SPUs mit ihrer direkten und anspringenden Art ausgezeichnet: müsste ich mich für eines von beiden entscheiden, würde ich die Rundnadelversion nehmen – sie hat einfach noch etwas mehr Charakter.