Lautsprecher Wilson Audio The WATT / Puppy im Test, Bild
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Einzeltest > Lautsprecher > 11.12.2024

Die Früchte eines halben Jahrhunderts

Kaum ein Lautsprecherhersteller genießt weltweit in der High End-Szene einen so exzellenten Ruf wie Wilson Audio aus Provo, Utah. In nunmehr 50 Jahren ist man dem Geheimnis des Klangs dort extrem nahe gekommen. 1974 hob David Wilson das Unternehmen aus der Taufe.

Lautsprecher Wilson Audio The WATT / Puppy

Geschichtliches
Nun ist es beileibe nicht so, dass die WATT / Puppy der erste Lautsprecher gewesen wäre, den David Wilson aus der Taufe gehoben hätte, das war nämlich 1986. Zuvor gab es diverse noch deutlich ungewöhnlichere und ambitioniertere Konstruktionen wie zum Beispiel die WAMM (Wilson Audio Modular Monitor). Das war ein extrem ambitioniertes Projekt mit zwei Ovalbässen von KEF pro Seite, einem aus mehreren eletrostatischen Panels zusammengesetzten Hochtöner und – zumindest zu Beginn - zwei Braun-Kompaktboxen als Mitteltöner. Sehr schräg, sündhaft teuer und dem Vernehmen nach unglaublich gut. Schon damals war „Monitor“ das entscheidende Stichwort. Wilson war immer auf der Suche nach dem richtgen Lautsprecher für seine Aufnahmearbeiten. So entstand Anfang der Achtziger der „Wilson Audio Tiny Tot“, ein eher unspektakulärer Zweiwegerich („tot“ heißt auf deutsch „Knirps“) in Form eines Pyramidenstumpfes. Obschon klanglich hervorragend, tat sich das Modell am Markt schwer – niemand traute dem Kompakten Böxchen so recht über den Weg. Also ersann Wilson eine passende Bassergänzung mit zwei Acht-Zoll-Woofern, die gleichzeitig als Standfuß für den WATT fungierte. Das war der Durchbruch für den Hersteller. Zwischen 1986 und 2011 durchlief die Kombination „WATT / Puppy“ acht Evolutionsstufen, bevor sie durch das Modell Sasha abgelöst wurde. Nach dreizehn Jahren Pause ist sie wieder da – was sonst hätte auch den Geist des Unternehmens anlässlich des Firmenjubiläums besser repräsentieren können als eine Neuauflage des Lautsprechers, der den Ruhm des Unternehmens wie kein anderer begründet hat. Einem Adelstitel gleich trägt die Neue die Vorsilbe „The“ vor ihrem Namen – sehr passend. Wer sich ein paar der edlen Jubiläumsmodelle ins Heim stellen will, der kann aus einer Unzahl von absolut spektakukulären Lackoberflächen wählen, sogar die Farbgebung der Frontbespannungen ist verhandelbar. Ganz billig ist das Vergnügen natürlich nicht: Die Preisliste für das Paar beginnt bei 50000 Euro.   

Verwandtschaften
Wir hatten vor geraumer Zeit bereits ein Paar der größeren Schwestermodelle „Sasha V“ zu Gast. Wer zwischen beiden Lautsprechern ein relativ hohes Maß an Verwandtschaft vermutet, der tut das zu Recht: Die Treiberbestückung beider Modelle ist identisch, auch sonst gibt es viele Parallelen. Optisch wirkt The WATT / Puppy merklich kleiner als die Sasha, was für viele Leute ein gewichtiges Argument sein dürfte. Mit etwa 70 Kilo pro Seite bringt der Lautsprecher trotzdem ordentlich Gewicht auf die Waage. Beiden Modellen gemeinsam ist der zweiteilige Aufbau mit den beiden übereinander angeordneten Acht-Zoll-Tieftönern im Bassabteil und der pyramidenstumpfförmigen Formgebung der Mittelhochtoneinheit. Bei der W/P (ich erlaube mir mal, die Typenbezeichnung ab jetzt ein wenig abzukürzen) ist die Formgebung noch etwas reduzierter und klassischer.   

Gehäuse
Wilson Audio baut seine Lautsprecher schon lange nicht mehr aus klassischen Plattenwerkstoffen.

Lautsprecher Wilson Audio The WATT / Puppy im Test, Bild
Die beflockte Front des Lautsprechers dämpft schädliche Reflexionen
In den frühen Jahren kamen noch Holzfasermaterialien und Kunststoffe zum Zuge, heutzutage sind es durch die Bank gegossene mineralische Spezialkomposite. Gleich drei verschiedene davon werden hier eingesetzt, die hören auf die Namen „S“-, „V“- und „X“-Material. Allen gemein sind, bedingt durch die mineralischen Zusätze, absolut werkzeugmordende Eigenschaften. Unter diesem Aspekt muss man die absolut herausragende Oberflächenqualität der Wilson- Lautsprecher noch viel mehr schätzen. Beide Teile des Lautsprechers sind übrigens nach wie vor von ventilierter Bauart, sogar der WATT verfügt über einen schmalen Schlitz auf der Gehäuserückwand. Auch wenn hier nicht wirklich Bass gefordert ist, hilft die Anordnung die Membranhübe des Tiefmitteltöners im Einsatzbereich zu reduzieren. Im Bassabteil übernimmt den Job ein massives Metallrohr.   

Treiber

Die Lautsprecherchassis lässt Wilson beim dänischen Spezialisten Scan Speak fertigen, über dessen Reputation man wohl nicht mehr viele Worte verlieren muss. Dabei erinnern die mit einer Aluminiummembran ausgestatteten Tieftöner noch am ehesten den „Katalogchassis“ der Dänen, während man bei der Mittelhochtonbestückung den Pfad der Serie weitgehend verlässt. Als spektakulär darf der Tiefmitteltöner gelten. Von vorne trägt er die charakeristische geschlitzte Papiermembran der Revelator- Baureiher zur Schau, hinten aber sorgt ein auch für Scan Speak komplett untypisches Magnetsystem für Aufsehen. Bei der „QuadraMag“ genannten Anordnung sorgen vier AlNiCo-Magnete für den Antrieb der sieben Zoll durchmessenden Membran. Eben jene eigentlich historische Legierung, die bei vielen Lautsprecherprofis durch ihr besonderes magnetisches Verhalten die moderneren Ferrit- oder gar Neodymmagnetsystemen immer noch als überlegen gilt. Nachteil: Das Material ist heutzutage gehörig teuer, was in erster Linie am Kobaltgehalt liegt. Als Hochtöner kommt eine ein Zoll durchmessende Seidenkalotte zum Zuge. Für Wilson Audio fertigt Scan Speak eine Version mit einer ganz besonderen Rückkammer: Sie verfügt über ein besonders großes Volumen, was den Einsatz bei tiefen Frequenzen erlaubt. Zudem ist sie auf der Innenseite mit einer komplex zerklüfteten Oberfläche ausgestattet, die rückwärtige Schallanteile besonders effektiv zerstreut. Diese Kammer besteht aus Kohlefaser und verleiht der Konstruktion ihren Namen: CSC-Tweeter, die Abkürzung steht für „Convergent Synergy Carbon“.   

Frequenzweiche

Über die Frequenzweiche redet Wilson Audio wie üblich nicht viel. Die Filterkomponenten entstehen mittlerweile größtenteils im Hause und wandern hinterher in sogar vor Röntgendurchleuchtung schützende Vergussmasse. Auf der Rückseite beider Boxenabteile gibt’s austauschbare Folienwiderstände, die eine Anpassung von Mittel- und Hochtonpegel an die individuellen Gegebenheiten ermöglichen. Auch für den Bass gibt’s solche Widerstände, damit kann man die Einbaugüte der Tieftöner ändern, was ebenfalls eine klangliche Feinjustage ermöglicht.  

Und sonst
Damit ist die Liste der kleinen Besonderheiten noch lange nicht am Ende. So steht die W/P beim Auspacken auf Rollen, was das Auffinden des optimalen Standortes – natürlich streng nach „WASP“, „Wilson Audion Setup Procedure“ – deutlich erleichtert. Mittels des mitgelieferten ultrafeinen „Wagenhebers“ lassen sich im Anschluss die Rollen gegen massive Spikes austauschen. Jene gibt’s gegen Aufpreis übrigens in einer nochmals veredelten Version, bei der wieder eines der hauseigenen mineralischen Spezialmaterialien zum Einsatz kommt. Die Rückseite verdient zudem einen Blick auf die sehr konsequente Signalverbindung zwischen WATT und Puppy, die mittlerweile über eine im Bassgehäuse versenkte Spezialleitung erfolgt. Nach erfolgtem Anschluss wird die Leitung mittels Spannzangenverschraubungen in der optimalen Position arretiert – ein irrer Aufwand. Der WATT steht auf drei Spikes in entsprechenden „Laufschienen“ oben auf dem Puppy-Gehäuse. In Grenzen ist das Oberteil damit in der Tiefe verschiebbar. Über den in der Höhe verstellbaren vorderen Spike lässt sich die Neigung des Oberteils verstellen. Beides erlaubt einen absolut präzisen Abgleich des Abstrahlverhaltens auf die Hörsituation. Bei der Sasha V geht das alles noch etwas eleganter und besser reproduzierbar, aber die Funktionalität ist dieselbe. Und die Sasha V kostet gut 17000 Euro pro Paar mehr.   

Klang
Wilson-Lautsprecher wollen traditionell mit stabilen Verstärkern angesteuert werden, um ihr volles klangliches Potenzial auszunutzen. Das ist hier nicht anders, weshalb wir uns über den mitgelieferten D’Agostino-Vollverstärker sehr gefreut haben, der die Jubiläumsbox mit umwerfender Souveränität im Griff hat. Die Verwandschaft zwischen W/P und Sasha V ist sofort hörbar, auch wenn es schon eine Weile her ist, dass jene unseren Hörraum zierten. Sofort fällt diese Wilsontypische ungeheure Stabilität im Klangbild auf, die eine extrem präzise Lokalisation des Geschehens im Raum ermöglicht. Die legendären Kompositionen eines Henry Mancini bekommen eine spektakuläre Überzeugungskraft, so etwas wie das „Peter Gunn“-Thema klingt brutal offen und wie in Stein gemeißelt. Im Bass zeichnet die W/P trotz moderater Größe höchst überzeugend, noch mehr Tiefgang scheint komplett sinnlos. Die Wilson wirkt hoch konzentriert und extrem diszipliniert, klingt dabei aber niemals langweilig. Das ist das, was sie von vielen Monitorkonstruktionen unterscheidet. Die können zwar präzise, klingen in vielen Fällen aber eher spaßfrei. Das ist hier gründlich anders und qualifiziert The Watt / Puppy als würdiges Statement anlässlich des runden Firmenjubiläums.  

Gemessenes

 
Lautsprecher Wilson Audio The WATT / Puppy im Test, Bild
 

The Watt / Puppy weiß auch vor dem Mikrofon zu überzeugen. Der Frequenzgang offen-bart, wie schon bei der Sasha V, eine kleine Oberbassüberhöhung um 65 Hertz, die geht völlig in Ordnung. Im Bereich der Übernahme zwischen Mittel- und Hochtöner (3-4 kHz) findet sich ein mini-maler Einbruch, der außerhalb der Achse jedoch wieder verschwindet. Das horizontale Abstrahlverhalten ist ohne Fehl und Tadel, der mittlere Wirkungsgrad liegt bei 88 Dezibel. Wir haben es mit ei-ner nicht impedanzlinearisierten Vier-Ohm-Box zu tun, im Bereich unter 100 Hertz geht’s auch noch deutlich darunter – hier ist eine stabile Elektronik gefragt. Die Box verzerrt extrem wenig, die mini-malen Klirranteile sind alles von „gutartiger“ geradzahliger Ordnung. Das Wasserfalldiagramm glänzt mit beeindruckender Störarmut.


Unterm Strich...

Die vielen Jahre der Evolution haben The Watt / Puppy zu einem der ehrlichsten, gleichzeitig aber auch aufregendsten Lautsprecher am Markt gemacht – und das auch noch bei halbwegs moderater Größe. Das ist pure Perfektion im Lautsprecherbau.

KategorieLautsprecher
ProduktThe WATT / Puppy
HerstellerWilson Audio
Preis50000 Euro
Preis ZusatzPaarpreis
Getestet vonHolger Barske
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Der richtige Groove - Lautsprecher Mårten Oscar Trio

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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