Lautsprecher Mårten Oscar Trio im Test, Bild
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Einzeltest > Lautsprecher > 17.12.2024

Der richtige Groove

Seit kurzem hat Jan Sieveking die Lautsprecher der schwedischen Firma Mårten im Vertrieb und schon nimmt die Marke wieder Fahrt auf. Wir haben das größere Modell der kleinsten Serie zur Begutachtung bekommen und sind gespannt, ob der Lautsprecher seinem Namenspaten Ehre macht.

Lautsprecher Mårten Oscar Trio

Familienklang
Musik spielt in der Familie der Mårten- Gründer schon lange eine große Rolle. Mårten Olofsson, der Großvater von Chefentwickler Leif Olofsson, spielte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Stradivari, deren Klang sein Schwager Josef Oloffson als Instrumentenbaumeister einzufangen versuchte. Wenn man so möchte, beginnt die Firmengeschichte des schwedischen Unternehmens in den 1970er Jahren. Leif Olofsson bekam von seinem großen Bruder Jörgen dessen Stereoanlage vermacht, für die er nach der Lektüre einiger Selbstbaumagazine eigene Lautsprecher konstruierte. Mit diesen klang die alte Anlage deutlich besser als der Neuerwerb des Bruders, was Jörgen sicher kurz geärgert hat, letztlich aber die berufliche Ausrichtung der Brüder begründete.  

Oscar und seine Freunde
Wer sich über die Namen der Mårten Modelle gewundert hat: sie sind alle nach berühmten Jazzmusikern benannt, was mir als altem Jazzfan natürlich besonders gut gefällt. Wie die Schweden darauf gekommen sind, hat mir Leif Olofsson erzählt: “Vor beinahe 30 Jahren saß ich mit meinem Bruder Jörgen, heute CEO von Mårten, zusammen. Wir haben uns entspannt einen Prototypen angehört und uns gefragt, wie wir die Modelle unserer zukünftigen Firma nennen wollten. Da wir beide Jazz lieben, dachten wir, es wäre doch cool, ihnen die Namen von Jazzgrößen zu geben und so haben wir bis heute alle Mårten Lautsprecher benannt.“ Das erste Modell nach der offiziellen Firmengründen 1998 hieß Mingus, benannt nach dem legendären Bassisten, Komponisten und Bandleader Charles Mingus.   

Frischer Wind
Vor einigen Jahren hat Mårten alles auf den Kopf gestellt und neu gemacht. Das hat im übrigen nichts mit einer etwaigen Firmenübernahme zu tun, Mårten ist und bleibt ein echter Familienbetrieb, auch der dritte Bruder Lars arbeitet dort. Geholfen hat ein eigenes Zwei-Mikrofon-Studio, das sie vor zehn Jahren gebaut haben. Es dient ihnen als Referenz bei der Lautsprecherentwicklung, denn sie orientieren sich wenig überraschend an Livemusik mit natürlichen Instrumenten. Die Entwicklung der neuen Modelle war 2019 mehr oder weniger abgeschlossen, die Oscar Trio brauchte alleine zwei Jahre. Es gibt noch eine Version mit Diamanthochtöner, die deutlich kostspieliger ist und noch natürlicher klingen soll. Keramik, und daraus sind alle Membranen der Oscar, sagt man ja einen gewissen Eigenklang nach, ähnlich Papier oder purem Aluminium. Ich gebe zu, dass mir eine ausführlichere Hörerfahrung mit Keramikchassis fehlt, um diesen Eigenklang heraushören zu können. Mir ist, und das als kurze Vorschau, so gar nichts Störendes am Oscar Trio aufgefallen, nur sein sehr neutraler und einnehmender Klang.   

Die Keramik
Da dies mein erster Mårten-Bericht ist, habe ich viel recherchiert und nichts gefunden, was mir nicht sympathisch gewesen wäre. Von der Jazzbegeisterung der Brüder über die Entwicklung und Fertigung in Schweden und dem konstanten Bezug zu Livemusik bis hin zu ihrem eigenen Studio. Nur die Keramikchassis waren eben so etwas wie eine Leerstelle für mich, aber das ließ sich ja ändern. Auf dem Hochtöner finde ich die Aufschrift „SB Acoustics“. Das ist eine Mischfirma aus Sinar Baja Electric, der größten Lautsprecherfirma Indonesiens, die es schon seit 1981 gibt und Danesian Audio, einer Entwicklungsfirma, die 1997 gegründet wurde. Leif sagte mir, dass sie keine direkte Zusammenarbeit mit SB haben, nur mit den „dänischen Jungs“ von Danesian Audio. Er schreibt: “Ich habe zusammen mit ihnen die Treiber der Oscar- Serie entwickelt. Einige Teile stammen von SB, andere Teile wurden zu 100% kundenspezifisch angefertigt. Kurzum: beide Treiber sind Sonderanfertigungen für Mårten. Für die größeren Serien setzen wir einen Mix aus Accuton, Danesian und Mårten Chassis ein.“  

Mehr Keramik

Keramik ist zerbrechlich, deshalb sieht man praktisch immer Schutzgitter vor den Membranen.

Lautsprecher Mårten Oscar Trio im Test, Bild
Hervorragende Verarbeitung, zeitloser Look. Einzig die Gitter über den Tiefmitteltönern und dem Hochtöner mögen irritieren. Sie dienen zum Schutz der Keramikmembranen
Bei normalem Gebrauch besteht jedoch praktisch keine Gefahr, dass es bricht. Der Herstellungsprozess ist interessant und beginnt mit einem Aluminiumkonus, der durch einen chemischen Prozess unter großer Hitze in Keramik (AL2O3) umgewandelt wird. Das führt zu einer Wabenstruktur, die an die Oberfläche eines Golfballs erinnert. Die Körbe bestehen aus Aluminium, der Schwingspulenträger für den Tiefmitteltöner aus Glasfaser und die Schwingspule aus Kupfer/Aluminium, um das Gewicht zu verringern. Der Grund, warum Mårten Keramik als Membranmaterial verwendet, ist dass es in seinem Arbeitsbereich perfekt kolbenförmig schwingt. Es gibt eine Hauptresonanz, die in der Frequenzweiche bewältigt werden kann. Das Ergebnis sind laut Mårten keinerlei Resonanzen bzw. Verzerrungen in den keramischen Koni und Kalotten. Leif sagt: “Andere, weniger steife Materialien haben viele Resonanzen, und die sind unmöglich zu beseitigen. Aus diesem Grund verwende ich in allen unseren Modellen sehr steife Membranen/Kalotten.“  

Gehäuse, Weichen und so
Die Oscar Trio ist ein reines Zwei-Wege Design, bei dem die beiden Tiefmitteltöner parallel geschaltet sind. Das Gehäuse ist aus speziellem HDF ohne weitere Kammern gebaut. Bei den großen Modellen setzt Leif auf 6db-Weichen, was für so eine Firma durchaus überraschend ist. So oder so achten sie auf möglichst umkomplexe Weichen, wenn ich das so sagen darf. Die Basis dafür ist, dass sich die akustischen Zentren aller Treiber in einer Achse befinden. Das kann theoretisch leicht erscheinen, doch sobald sich die Membranen bewegen, verschieben sich die Zentren wieder, es sei denn, man löst die Sache wie Andrew Jones bei seinen MoFi Source Point Koaxtreibern. Die Mårten-Lösung hat Accuton mit dem Input von Mårten mit der CELL-Keremikchassis- Serie entwickelt. Dafür wird die Sicke auf den Schwingspulenträger geklebt und so eine gleichmäßige Auslenkung ermöglicht, die nicht die Wölbung der Membran betrifft. Der Mårten Oscar Trio hat eine Frequenzweiche 2. Ordnung mit einem Notch-Filter, der sich um die angesprochene Hauptresonanz beim Tiefmitteltöner kümmert, getrennt wird bei 2.5kHz. Die Nennimpedanz liegt bei 6 Ohm, das Minimum bei durchaus freundlichen 3.1 Ohm. Abschließend will ich noch einmal Leif Olofsson zu Wort kommen lassen: “Natürlich verwenden wir sehr hochwertige Weichenbauteiel wie Kupferfolienspulen, Polypropylenkondensatoren und fette Metallfilmwiderstände. Wenn ich einen Lautsprecher entwerfe, beginne ich mit Weichensimulationen. Sieht dabei alles gut aus, beginnt die eigentliche Arbeit mit dem Bau von Prototypen und umfangreichen Hörtests. Ich verwende Messungen nur, um zu überprüfen, was ich während des Prozesses höre. Es gibt einige Menschen, deren Urteil ich beim Abstimmen vertraue, auch weil sie mir unverblümt sagen, was sie denken. Das Feintuning eines Lautsprechers kann zwischen sechs und zwölf Monaten dauern, manchmal auch länger.“

Apropos Feintuning. Die Lautsprecher werden mit konischen Spikes und Tellern ausgeliefert, spielen aber so eindeutig besser mit ihren Absorbern, dass ich darüber keine Gedanken verlieren würde – man sollte die Absorber einfach dazu erwerben. Und die Mårten Lautsprecher sollen mit externer Jorma Verkabelung klanglich endgültig einrasten, schließlich besteht auch ihre Innenverkabelung daraus. Den Luxus konnte ich mir nicht gönnen, sie spielen auch so hervorragend.  

Let it swing
Womit sonst als mit Oscar Peterson kann ich beginnen? „Exclusively for my friends“ hieß eine Reihe, die in den 60er Jahren in den MPS-Studios im Schwarzwald entstand. Travelin ´ on ist dabei die letzte Originaleinspielung mit Sam Jones am Bass und Bobby Durham am Schlagzeug. Durch Petersons Multi-Oktavspiel entsteht manchmal der Eindruck, es spielten mehrere Pianisten gleichzeitig und das ohne Overdub. Und was macht unser Oscar damit? Er macht mich zu einem der Freunde, die exklusiv bei der Aufnahme dabei sitzen dürfen. Alles ist da, der Raum, die Menschen, die Band. Alles ist glaubhaft, alles klingt total selbstverständlich und natürlich: die fast brutale Anschlagsdynamik, aber auch die überragenden Melodielinien, denn trotz aller Hochgeschwindigkeit hatte „Oscar“ einfach einen famosen Touch und es gibt auch sehr gefühlvolle Stücke. Unser Oscar weiß das und gibt das dann genau so wieder. Ich nehme mal den Fuß vom Gaspedal und höre das Paul Kuhn Trio Live at Birdland. Das ist manchmal das Gegenteil von Peterson, vor allem was den so charmanten Entertainer Kuhn und seine Ansagen betrifft. Ich kann auch davon gar nicht genug kriegen. Ist es Zufall, dass ich vor allem Liveeinspielungen auflege? Ich will hören, ob die Aussagen von Mårten nur Marketing sind und das sind sie nicht, so gar nicht. Das höre ich dann auch mit einem der besten Alben von Prince – Sign of the Times. Ich war auf dieser Tour live dabei und habe noch immer ein Gefühl, was das für ein Erlebnis war. Und auch wenn die Studioaufnahme nur einen Bruchteil davon transportiert, kann ich das dank Oscar ergänzen. Der Synthiebeat, der Auftaktschlag der Drums von Sheila E. und dann des Meisters „Oh Yeah!“. Alles steht furztrocken, tiefgründig und mitreißend im Raum. Wenn Prince schließlich seinen Gesang beginnt und das erste Mal seine funky Gitarre grooven lässt, ist es spätestens um mich geschehen und ich werde zum Fan. Dass schon der zweitkleinste Mårten Lautsprecher, wiewohl nicht umsonst, so eine Performance abliefert, nötigt mir allergrößten Respekt ab.   

Gemessenes  

Lautsprecher Mårten Oscar Trio im Test, Bild
   

Die Marten-Box ist ein sehr ausgewogener, wirkungsgradstarker Lautsprecher mit einem hervorragenden Rundstrahlverhalten und einer tief reichenden Basswiedergabe bis unter 30 Hertz. Bemerkenswert ist auch das Abstrahlverhalten des Hochtöners, der auch unter Winkeln bis über 20 Kilohertz keinen Pegel verliert.  

Die Klirrwerte sind hervorragend: Auch bei sehr lauten 95 Dezibel steigen die Verzerrun-gen nur im unteren Bassbereich sehr moderat an – Resonanzen spielen ebenfalls keine Rolle. Mit einem Impedanzminimum von 3,5 Ohm ist die Marten ein lupenreiner 4-Ohm-Lautsprecher. 


Unterm Strich...

Schon die kleinste Mårten-Serie setzt mit der Oscar Trio ein Statement: Weltklasse zum Einstiegspreis würde ich das nennen. Man kann von hier aus weiter machen, man kann aber auch einfach nur genießen.

KategorieLautsprecher
ProduktOscar Trio
HerstellerMårten
Preis11500 Euro
Preis Zusatz / Isolatoren: 850 Euro
Getestet vonChristian Bayer
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Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


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