Vollverstärker Vitus Audio RI-101 MK.II im Test, Bild
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Einzeltest > Vollverstärker > 06.05.2025

Für Einsteiger der besonderen Art

Mein lieber Mann, was ist das für ein Brocken. 38 Kilogramm vollverstärkender Herrlichkeit aus Dänemark.

Vollverstärker Vitus Audio RI-101 MK.II

Phonovorstufen des Nobelfabrikanten aus unserem nördlichen Nachbarstaat hatten wir schon drei Stück im Lauf der Jahre. Einen der legendären Vitus-Vollverstärker aber nur ein einziges Mal, und das ist schon Urzeiten her (Ausgabe 1/2008). Der Proband seinerzeit hieß SS-010 und war ein reinrassiger Class A-Verstärker mit 25 Watt Ausgangsleistung pro Kanal und eine Maschine, an die ich mich bis heute mit Freude zurückerinnere. Drei Kilogramm schwerer, 52 Millimeter höher und 6250 Euro teurer (will sagen: 18250 Euro insgesamt) präsentiert sich nunmehr das Modell RI-101 MK.II, welches eine echte Ansage an den Vollverstärkermarkt ist. Vitus Audio dürfte der einzige Hersteller da draußen sein, der seine Einsteigerbaureihe als „Reference“-Serie tituliert, was aber von vornherein den Qualitätsanspruch der skandinavisch-schlichten Preziosen dokumentiert.   

Der RI-101 MK.II macht da keine Ausnahme. Der Hersteller vermeldet, „the RI-101 Mk.II will happily sit at the heart of your system for a lifetime“, will sagen: Kauf das Ding und du bist für dein Leben lang fertig mit dem Thema „Herzstück deiner Anlage“. Das Gerät basiert auf dem 2017 erschienenen RI-101. Der Umstand, dass das Update auf die MK.II-Version ein sehr behutsames war, spricht für die Qualität des Originalkonzeptes. Der RI-101 MK.II ist im Kern ein klassischer Vollverstärker im Class A/B-Betrieb mit ordentlich Ausgangsleistung. Trotzdem spendierte ihm der Hersteller eine ordentliche Portion Ruhestrom: Zwischen acht und 16 Watt (je nach Lastimpedanz) generiert die Maschine im A-Betrieb, was mehr als genug fürs Musikhören auch bei gehobenen Lautstärken ist. Der Rest ist, wie es schön heißt, nicht mehr als „Headroom“.   

Eine Phono-Option ist beim RI-101 MK.II nicht vorgesehen, es gibt aber zwei optionale Digitalboards: Die reine D/A-Wandlerplatine mit USB, TOSLINK, S/PDIF & AES-Eingängen kostet 4.000 Euro Aufpreis, die Option mit zusätzlichem Roonfähigem Streamer 4.500 Euro. Was, wenn Sie mich fragen, die sinnvollere Variante ist.

Vollverstärker Vitus Audio RI-101 MK.II im Test, Bild
Das „Gesicht“ der Vitus-Geräte ist eine sehr angenehme Konstante in der gesamten Firmenhistorie
 

Das Gerät präsentiert sich mit dem unverwechselbaren und seit den frühen Tagen des Unternehmens praktisch unveränderten „Gesicht“: Zwei massive Frontplattenhälften rahmen einen schmalen dunklen Mittelsteg ein, hinter dem sich das Display verbirgt. Bei jenem handelt es sich um eine zwar kleine, aber sehr klare und gut ablesbare Punktmatrixanzeige, die ich in dieser Form nur von Vitus Audio kenne. Die Bedienung erfolgt – wenn nicht per Fernbedienung – mittels dreier Taster auf jeder Frontplattenseite, auch das zieht der Hersteller konsequent über alle Gerät des Portfolios durch, bis hin zu den gewaltigen Endstufen der „Masterpiece“-Serie. Über die Fernbedienung muss ich kurz lästern: Die billige China-Kopie der berühmten Apple-Remote funktioniert zwar anstandslos, ist eines Gerätes in dieser Preisklasse jedoch ziemlich unwürdig. Ungleich vertrauenswürdiger geht’s auf der Rückseite des Schwergewichtes zu: Für den Lautsprecheranschluss stehen zwei Paar zünftiger Messing-Polklemmen aus der professionellen Elektronik bereit, weit entfernt von jeglichen audiophilen Boutique- Modellen. Analoge Eingänge gibt’s fünf Stück: dreimal symmetrisch, zweimal unsymmetrisch. Alle Verbinder kommen vom Profi -Ausstatter Neutrik, auch die Cinchbuchsen stecken in den von den XLR-Verbindern her bekannten „Flanschdosen“. In auschließlich symmetrischer Variante steht ein Vorverstärkerausgang bereit – falls man in Sachen Endstufen letztlich doch noch weitere Ambitionen entwickeln sollte. Ob man Bi-Amping in Betracht ziehen, oder Subwoofer anschließen wollte.  

Von jeher gibt’s sich Firmengründer und Chefentwickler Hanz Ole Vitus sehr zurückhaltend, wenn’s um die technischen Details seiner Kreationen geht. Auch wenn der Mann lange Jahre digitale Signalprozessoren für Texas Instruments verkauft hat, schlägt sein Herz in Sachen Musikwiedergabe analog und diskret. Will sagen: Seine Verstärkerschaltungen sind fast aus schließlich mit Einzelhalbleitern realisiert, Chips dürfen nur für periphere Funktionen und (unvermeidlicherweise) in der Digitalsignalverarbeitung ran. Unter dem Deckel geht’s trotz des ausladenden Geräteformats ziemlich dicht gedrängt zu. Dafür hauptsächlich verantwortlich ist der zentral angeordnete, in einem schirmenden Metallgehäuse untergebrachte gewaltige Netztransformator. Bei dem handelt es sich einmal nicht um einen der fast unvermeidlichen Ringkerntypen, sondern um einen klassischen Blechpakettrafo mit einem „EI“-Kern. Hans Ole Vitus ist seit jeher Fan des gegenüber Ringkernen deutlich unproblematischeren „Erholverhaltens“ dieser Bauform. Bei seinen größeren Modellen geht er noch einen Schritt weiter und nimmt sogenannte „UI“-Kerne, was bei gleicher Leistung in noch ausladenderen Dimensionen resultiert. Die großen Vorteile von Ringkerntrafos – kompakte Bauform und geringes Streufeld – lässt Vitus bewusst außen vor. Bei der Lautstärkeregelung greift Vitus ebenfalls in die Vollen: Insgesamt 50 Relais schalten Festwiderstände, die den Pegel in 88 Stufen von je einem Dezibel variieren. Das funktioniert vollkommen geräuschfrei (im Signal) und ist genau die richtige Stufung. Zur Schaltungstechnik ist mangels Informationen wenig zu sagen, der „harte Kern“ der Endstufen versteckt sich in je einem abschirmenden Blechkästchen auf den beiden Endstufenmodulen. Die verfügen über reichlich Kühlfläche und ich hab’s mir gespart, intensivere Forschungen bezüglich Art und Anzahl der Endtransistoren anzustellen – es sind genug, das steht fest.   

In der Praxis wird das Gerät dank moderater Verlustleistungswerte (etwa 90 Watt im Leerlauf) nicht allzu warm und erwacht auch relativ zügig aus dem klanglichen Standby-Dornröschenschlaf. Die Maschine vermeldet mit dem sanften Klicken zahlreicher Relais Betriebsbereitschaft und wusste ziemlich überzeugend, mit zahlreichen Lautsprechern Freundschaft zu schließen. Als die vielleicht überzeugendste Paarung erwies sich die mit der brandneuen Epos ES-28N, deren beeindruckendes Bassfundament genau die richtige Spielwiese für den Vitus war: Die drei jonglierten dynamische Souveränität in Perfektion, das Fundament war schnell, knackig, nie aufgebläht und von vorne bis hinten absolut beeindruckend. Da gestattete ich mir dann auch, mich nach langer Zeit mal wieder mit dem alten Chuck Mangione- Klassiker „Children Of Sanchez“ zu fönen – weil’s hier einfach so herrlich unverkrampft und direkt ist. Stimmen kann die Kombi auch, und wie: Das einmalig verträumte Organ des „Cigarettes After Sex“-Frontmannes Greg Gonzalez tropft wie warmer Honig aus den Lautsprechern – Gänsehaut garantiert. „Schön“ kann er in der Tat besonders gut, so dass ich mir danach gleich zwei „The XX“-Alben gönnte – in dieser Darreichungsform absoluter Balsam für die Seele. Großartiger Verstärker!  

Gemessenes:
 
Vollverstärker Vitus Audio RI-101 MK.II im Test, Bild

Blößen waren hier nicht zu erwarten – es gibt auch keine. Der Vitus liefert perfekte Linearität bis 200 Kilohertz und leistet rund 262 Watt an acht und 312 Watt an vier Ohm – hier war der Hersteller mit seinen Angaben dann doch etwas optimistisch. An acht Ohm bei einem Watt maßen wir 85,7 Dezibel(A) Fremdspannungsabstand und 77,8 Dezibel(A) Kanaltrennung, und einen Klirrfaktor von 0,0067 Prozent. An vier Ohm sind’s 83,5 respektive 77,7 Dezibel(A) und 0,141 Prozent Klirr. Im Leerlauf konsumiert das Gerät gut 90 Watt aus dem Stromnetz.


Unterm Strich...

Nordische Kühle? Von wegen! Der Vitus- Vollverstärker ist eine hoch emotionale Angelegenheit, er spielt superweich und verführerisch, kann bei Bedarf aber auch richtig hinlangen.

KategorieVollverstärker
ProduktRI-101 MK.II
HerstellerVitus Audio
Preis18250 Euro
Getestet vonHolger Barske
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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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