Wir bekommen sehr viele unterschiedliche Geräte zur Begutachtung. Manchmal ist eines dabei, das eine bestimmte Saite in mir zum Klingen bringt. Wie die EAR Phonobox(en).
Phonovorstufe EAR Phonobox
Natürlich hatte ich selbst auch schon einmal eine Phonobox in meiner Anlage, damals noch in der Originalversion als EAR 834. Das ist sicher 25 Jahre her, gleich nachdem ich mich nach einer Analogpause wieder neu aufgestellt hatte. Der Wiedereinstieg mit dem Lehmann Black Cube war prima, richtig Fahrt nahm er dann aber erst mit der 834 auf und zwar mit der einfacheren Version mit Lautstärkepoti.
Aus 834 wird Phonobox
Die EAR 834 kam Mitte der 80er auf den Markt. Entwickelt war er von Tim de Paravicini, dem Erfinder vieler genialer Schaltungen. Das Gerät war clever gedacht, aber etwas billig gemacht. So waren zum Beispiel die Cinchbuchsen auf die Platine gelötet und verursachten bei häufigerer Benutzung gerne einmal Brumm. Bauteile? Konnte man vergessen. Aber die Schaltung konnte was und der Klang, der Klang war einfach verführerisch. Ok, der Bass konnte ab und an etwas zu viel des Guten sein und ein Auflösungsweltmeister war sie vielleicht auch nicht. Aber sie hatte so einen „warmen“ Grundklang, dieses Wohlgefühl wie wenn man vor einem dampfenden Leibgericht an einem ungemütlichen Novembertag sitzt, war einfach richtig. Nicht lange vor seinem Tod 2020 hat Paravicini die 834 noch einmal deutlich überarbeitet und daraus die Phonobox daraus gemacht. Vor allem den Störabständen ist er zu Leibe gerückt und das hat perfekt funktioniert. Dass sie bei dieser fi nalen Überarbeitung zudem so gar nichts von ihrem faszinierenden Klang verloren hat, hören wir gleich.
Erbe
Mich beschleicht immer ein ungutes Gefühl, wenn ich auf eine Webseite gehe und den Eindruck bekomme, längst verstorbene Menschen seien noch am Leben. Das ist so auf der englischen EAR-Seite, weil dort der Eindruck entsteht wird, Tim de Paravicini lebte noch. Ja, der Mann war EAR, aber ich fände es geschmeidiger, offen damit umzugehen, dass er eben nicht mehr lebt. Der dänische Vertrieb von EAR hat mir gesagt, dass Tim diverse Schaltungen hinterlassen habe. Das ist doch wunderbar und wenn man nun darauf hinweisen würde, dass Tims Sohn Nevin de Paravicini in Zusammenarbeit mit erfahrenen EAR-Mitarbeitern diese nun peu a peu umsetzt, wäre aus meiner Sicht alles in Butter und auch fair. Aber genug davon. Ein so entstandenes Produkt ist der HP 1 Kopfhöhrerverstärker, der jetzt auf den Markt kommt.
Technik
Handfeste Infos zur Schaltung gab es nicht, da muss man sich im Internet durch die Versionen tanken.
Die standardmäßig verbaute 13D16 ist nach allem, was wir wissen, eine für EAR spezifizierte russische 6N2P, eine Variante der ECC83 also Sicher ist nur, dass Tim diese letzte, aktuelle Version der Phonobox selbst entwickelt hat. Die RIAA aktiv-passiv und zudem sehr breitbandig ausgeführt. Standardmäßig stecken in der Phonobox drei 13D16 Doppeltrioden. Versucht man diese Röhre zu finden, muss man feststellen, dass sie nicht existiert. Es dürfte eine für EAR produzierte Version der russischen 6N2P sein. Das ist ebenfalls eine Doppeltriode und eine sehr gute Röhre, wenn sie penibel selektiert. Paravicini hat sie eingesetzt, weil er die Kontrolle über seine Röhren haben wollte, denn die wachsen eben nicht auf den Bäumen. So viel vorneweg, damit klingt die Phonobox hervorragend. Es lassen sich natürlich auch ECC83 stecken, wofür man aber einen Umschalter betätigen muss. Warum? Die ECC83 kann man mit 6.3 oder 12,6 Volt betreiben, je nachdem ob ihre Heizspannung parallel oder in Reihe beschaltet ist. Die 6N2P hingegen läuft nur mit 6.3 Volt und hat eine andere Pinbelegung. Die Ausgangsspannung bei MM beträgt 2.2mv, bei MC 0.22mv für 40 Ohm und 0,15 mV für 5 die Ohm-Version, wozu ich gleich noch komme. Die Verstärkung liegt im MM-Betrieb bei satten 55db (47kOhm) und sehr gesunden 72db (bei 470 Ohm).
Varianten Die Sache ist einfacher, als sie auf den ersten Blick vielleicht wirkt: es gibt eine reine MM oder eine MM/MC-Version. Und dann darf man sich noch zwischen der Standard- und der De-Luxe-Chrom-Optik entscheiden, technisch sind sie gleich. Interessant finde ich, dass die MM-Version immer ohne Lautstärkesteller kommt, die MM/MC-Varianten ihn jedoch optional ohne Aufpreis anbieten. Ich hätte kein Thema damit, die Normalversion mit dem Poti zu verwenden, so wie ich es auch in meiner Zweitanlage getan habe, denn der Aufpreis für die, wie erwähnt technisch identische Version mit Chromfront, ist happig – 1990 versus 1470 Euro für die Standardversion. Ohne die MC-Übertrager kostet die Phonobox als reine MM-Version dann nur 1325 Euro. Der große Vorteil an der MM/MC-Version mit Volumepoti ist, dass man damit eine puristische Analogkette aufbauen kann: Endstufe dran – fertig. Ich habe meine Zweitanlage erwähnt und da funktionierte das herausragend gut. Eine weitere, ebenfalls nicht aufpreispflichtige Unterscheidung gibt es noch: man kann wählen, ob MC-Übertrager mit niedriger (5 Ohm) oder hoher Impedanz (40 Ohm) – letztere ideal für ein Denon DL-103 eingebaut werden sollen. Die kleinen Kapseln werden in England gebaut und sind ebenfalls ein Paravicini-Design: Ringkerne mit Kupferdraht gewickelt und Mu-Metall- Kern.
Praxis und Musik Wir haben beide MM/MC-Varianten bekommen: die edelste mit dicker Chromfront ohne Volumepoti und MC-Übertragern mit 5 Ohm Impedanz. Die wanderte direkt an meine Hauptanlage und wurde mit dem Koetsu Urushi Black verbunden. Ok, und ich habe die vom Vertrieb mitgelieferten Telefunken ECC83 gesteckt, was hervorragend funktioniert. Und dann bekamen wir noch die Standardvariante mit Volumepoti und 40 Ohm Übertragern. Hier habe ich mich für den MM-Betrieb entschieden (per Drucktaster auf der Rückseite wählbar) und mein Dynavector Dynavector 10x5 MKII NEO High-Output System angeschlossen und die Phonobox direkt mit meiner 6A3 Eintaktendstufe verbunden. Für beide Setups gilt: man braucht weder besondere Kenntnisse noch tiefgreifende Erfahrungen, um mit diesen Geräten augenblicklich Spaß zu haben. Denn die Phonoboxen spielen beide auf erfrischende (und ja tatsächlich erfrischte) Art genau richtig: satt, farbig, geiler Bass – das macht einfach Spaß und ist letztlich genau das, was wir wollen. An meiner Büroanlage ging die einfache Version mit dem Dynavector eine Instant-Traumehe ein und spielte zum Beispiel Bill Withers „Just the two of us“ so intim, so zeitrichtig und farbig, die Stimme stand mitten im Raum und das Saxofon von Grover Washington genau dahinter. Wenn eine Komponente es schafft, eine derart abgedroschene Nummer wie neu, ganz frisch und spannend klingen zu lassen, ist das nichts weniger als grandios. Und im großen Setup am Koetsu Urushi Black packte mich zum Beispiel Bruckners 7. Sinfonie unter dem durchaus strengen, aber menschenfreundlichen Günter Wand derart, dass ich zum ersten Mal bereit war, all die inneren Details, all die unterschiedlichen Tempi und den schieren Triumph dieser Komposition ganz zu würdigen.
Gemessenes Die Phonobox überzeugt in beiden Varianten. Die Version mit festem Ausgang agiert dabei etwas breitbandiger als das Schwestermodell: Hier reicht der Frequenzgang bis 100 Kilohertz! Der Gesamtklirr liegt im MM-Betrieb bei 0,03%, bei MC bei 0,06%. Der Fremdspannungsabstand ist mit -84 bzw. -65 dB(A) überdurchschnittlich gut. Die Kanaltrennung liegt bei guten -50dB(A).
Mitspieler Plattenspieler
Tonarm
- Schröder CB Ebony
- Schick 12
Tonabnehmer
- Koetsu Urushi Black
- Dynavector 10x5 MKII NEO
Vorverstärker
- Air Tight ATC-1 HQ
- Stax SR-12 (modifiziert)
Endverstärker
- Air Tight ATM-4 / 6A3 Eintakt DIY
Lautsprecher
- De Vore 0/Baby / Greenwall Ivy
Gegenspieler Phonovorverstärker
- Air Tight ATE-2005 / DBL The Wand
Gespieltes - Red Garland: Can’t see for looking
- Anton Bruckner: 7 Sinfonie (Günter Wand 1980)
- The Remarkable Carmell Jones: Same
- Talking Heads: Exit
- Bill Withers: Best of
Die Eingangsplatine ist wie der gesamte Verstärker qualitativ heute viel besser als die früheren 834er Modelle
Das ist die De Luxe Version mit de Luxe Röhren, die uns der Vertrieb zur Verfügung gestellt hat: Telefunken ECC83 Smooth Plates
Die standardmäßig verbaute 13D16 ist nach allem, was wir wissen, eine für EAR spezifizierte russische 6N2P, eine Variante der ECC83 also
So sieht die De Luxe Version mit ihrer massiven Chromfront und ohne den Pegelsteller aus: schon sehr edel
Und hier von hinten. Der Aufkleber sollte uns daran erinnern, dass die 5 Ohm MC-Übertrager eingebaut sind
Die De Luxe Ausführung unterscheidet sich technisch nicht von der Normalausführung. Dass ein Vertrieb edle, „alte“ Röhren mitliefert, ist ungewöhnlich
Hier noch mal ein Blick auf die kleinen Übertragerkapseln, die nach EAR-Spezifikationen im Vereinten Königreich gefertigt werden
Hier erkennt man die Steckbrücke für die unterschiedlichen Röhrentypen. Man muss sie unbedingt korrekt positionieren
Die Eingangsplatine mit Netzfilter, Siebung und Steckbrücke. Das ist heute viel besser als früher gemacht
Und das ist die Version mit den Standardröhren und den 40 Ohm MC-Übertragern für hoch ohmigere Tonabnehmer
Das ist die Standardversion mit dem Pegelsteller. Mit ihr kann eine superbe, puristische Phonokette aufbauen
Apropos puristisch: man kann nur einen Tonabnehmer an die Phonobox anschließen, wer mehr braucht, greift höher ins EAR-Regal
Noch einmal beide Version im Gleichschritt. Hier sieht man genau, dass sie technisch absolut identisch sind
Fazit
Perfekt überarbeite Klassiker, mit denen Musikhören einfach nur Freude macht. Ich finde sie überragend.