Die ungefähre Lesezeit beträgt 7 Minuten
Einzeltest > Phonovorstufe > 14.01.2025

No Nonsense

Ich weiß, die Anglizismen. Aber es ist halt so, dass es im Deutschen oft nur komplizierte Formulierungen gibt. Und kompliziert ist bei dieser Phono nun mal gar nichts. Deshalb stehe ich dazu und kann nur sagen: anschließen, Musik hören.

Phonovorverstärker Dr. Feickert Analogue Vero S

Chris Feickert kennen wir natürlich in erster Linie als Hersteller hervorragender, praxisorientierter Plattenspieler mit großem Klangvermögen. Dass er eine Phono, nein zwei im Angebot hat, macht natürlich Sinn. Wobei, darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Seit gut 25 Jahren versorgt uns Chris Feickert nun mit leckerem Analogspielzeug und wir hoffen, dass das noch lange so weiter geht. Sein Kompanion und Vertrauter Herbert Schleicher, mit dem er zusammen SWS-audio betreibt, namentlich den deutschen Dynavector-Vertrieb, unterstützt Feickert auch bei der Vermarktung seiner Produkte und steht ihm mit Hand und Ohr zur Seite. Denn ansonsten ist Feickert, wie der Firmenname suggeriert, ein Einzelkämpfer. Einer, der sich für seine Projekte unterschiedliche Hilfe holt. Immer ist er der Ideen- und Taktgeber, offen für den Input seiner Partner.   

Die Vero S
Wie der Name schon sagt, ist die Vero S („S“ für „Small“) die kleine Phono aus dem Hause Feickert. Die große Vero war deutlich teurer und für gleich vier Tonabnehmer geeignet, hatte ein Display und ließ ihre Einstellungen - schnief - per Fernbedienung ultrakommod vornehmen. Ich habe meine Einstellung zu diesem Thema schon mehrfach mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht: für uns Profis und die anderen Bekloppten mit vier Tonarmen ist das genau das Mittel der Wahl. Allerdings gibt es die Vero nicht mehr, zur kommenden High-End soll ihr Nachfolgemodell fertig sein.   

Technisches
Technisch hat Chris Feickert gar nicht erst versucht, das Phonovorverstärker-Rad neu zu erfinden, denn das macht auch gar keinen Sinn. Er setzt auf eine erprobte Op- Amp-Schaltung mit aktiv-passiver Entzerrung, aktiv im Hochtonbereich, passiv für den Bass. Doch „grau is´ im Leben alle Theorie, entscheidend is auf´m Platz“ wie die Ruhrpott-Fußball-Legende Adi Preißler so trefflich formuliert hat. Sprich, es kommt auf die Ausführung des Ganzen an und die ist richtig gut und zwar auch schon mit dem mitgelieferten Steckernetzteil. Aber das zusätzlich erhältliche Linearnetzteil macht den Unterschied, einen so großen, dass die Vero S damit endgültig zu den Phonovorverstärkern aufrückt, die man anschließen und endgültig vergessen kann.

Mehr Technisches
Auf einen eigenen MM-Zweig hat Feickert verzichtet,


Konzentration aufs Wesentliche: einen Tonabnehmer adequat zu verstärken. Die Anpassung dafür findet im Inneren statt
das machte in diesem Rahmen keinen Sinn und macht nach seiner Aussage auch insgesamt nur begrenzt Sinn, da die klanglichen Vorteile minimal sind.  Dasselbe gilt nach seiner Erfahrung für eine symmetrische Schaltung, die vor allem erdfrei sei und das wiederum führe bei symmetrischen Dopelmonoaufbauten wie der VERO gerne zu Brummschleifen, speziell im Mono-Betrieb. Die klanglichen Vorteile überwiegen hier die praktischen Nachteile aus seiner Sicht nicht. Besonderen Wert hat er bei der hohen Verstärkung von bis zu 66db auf penibel ausgemessene, rauscharme Op-Amps gelegt und ebensolche Präzisionswiderstände gelegt.   

Linear
Es ist für die meisten keine Überraschung, aber ich möchte trotzdem noch mal auf die Meriten einer wirklich sauberen, stabilen Stromversorgung hinweisen. Ja, auch das kann man mit Schaltnetzteilen inzwischen richtig gut hinbekommen, ganz billig ist das dann aber auch nicht mehr. Chris Feickert hat es sich quasi leicht gemacht, indem er das ursprünglich für seine Plattenspieler entwickelte 24-Volt-Linearnetzteil „einfach“ auf die Bedürfnisse seiner Phonovorverstärker angepasst hat. Damit passiert, was meistens passiert: der Vortrag gewinnt an Ruhe, Durchzeichnung und sogenannter Schwärze. Das meint, dass man sich einfach viel besser und einfacher auf die Musik konzentrieren kann und darum geht es doch.   

Möglichkeiten
In der Beschränkung liegt die Freiheit, in der Anpassung die Möglichkeiten. Schaut man sich das Vero S Layout an, fällt einem nichts wirklich auf, der Aufbau wirkt sauber und unspektakulär. Und ja, die Schaltung ist in SMD-Technik aufgebaut, was in diesem Rahmen Sinn macht. Ich erinnere gerne noch einmal an Adi Preißler, am Ende spielt die Musik und dann wird abgerechnet. Natürlich ließe sich so ein Aufbau auch mit diskreten Bauteilen lösen. Allerdings wäre der Aufwand dann deutlich höher und der Preis eben auch. Und der Klang? Der müsste sich erst noch beweisen. So oder so kann man an die Vero S zwar nur einen Tonabnehmer anschließen, diesen aber perfekt anpassen. Voreingestellt sind ganz praxisgerecht 100 Ohm für MC-Tonabnehmer, will man etwas ändern, muss man den Deckel abschrauben. Dort findet sich dann eine Vielzahl an Möglichkeiten der Anpassung per Dipschalter, sowohl für MM/MI- (Kapazität) wie auch MC-Tonabnahmer (Impedanzen). Zusätzlich finden sich auf der Front ein Subsonicfilter, SBSNC genannt und eine Gainerhöhung, Verzeihung eine Anhebung des Verstärkungsfaktors um 12db, die mit XGAIN bezeichnet ist.   

Kleine Feinheiten
Jeder, der Chris Feickert kennen gelernt hat, weiß, dass der Mann alles andere als doof ist. Und genau deshalb tut er das, was mehr und mehr Mitbewerber inzwischen auch wieder tun: er produziert in Deutschland, mehrheitlich im Schwarzwald, gerne auch im Nachbarort. Das spart Wege, Stress und am Ende Geld. Das Ergebnis ist ein Produkt, das wertig, stimmig und absolut konkurrenzfähig ist.  

Hinhören
Nicht nur, weil Feickert sie vertreibt, auch weil ich die Tonabnehmer von Dynavector immer schon großartig finde, habe ich mit zweien gehört. Einmal mit dem 10X5 MK2 als High-Output-MC und dann mit dem DV20X2 low. Dafür war die Vero S perfekt voreingestellt und so konnte es sofort losgehen. Was sofort auffällt, ist dass weder die Vero S noch die Dynavector Tonabnehmer eine relevante Einspielzeit brauchen. Sie mögen sich mit der Zeit noch ein wenig verbessern, sind aber sofort da – so mögen wir das. Und was ich schon im Titel geschrieben habe, wiederhole ich einfach noch mal: das ist ein echtes No-Nonsense- Produkt. Es zickt nicht, es nervt nicht, es rauscht oder brummt nicht, es macht einfach seinen Job sehr, sehr gut. Aus Art Peppers Spätwerk höre ich Melolev von „One September Afternoon“. Das klingt intim, direkt, knackig und sehr dynamisch. Das Schlagzeug knallt wie in einer Schlagzeugkabine und da kristallisieren sich die Kernkompetenzen der Vero S heraus: schlackenfrei und ultradynamisch zu spielen. Dabei ist ihr klanglicher Grundcharakter eher hell als dunkel und sehr transparent. Auf „Mr. Big Falls His J.G. Hand“ perlt die Gitarre von Howard Roberts so kristallkar, aber null nüchtern oder kühl, dass ich mich wie auf einem Regiestuhl fühle. Die Vero S könnte man niemals mit einer Röhrenphono verwechseln und sie will das auch gar nicht. Sie will ein Schlaglicht auf die Musik werfen und ihr Motto könnte „Don´t stop“ lauten, gleich dem Fleetwood Mac Klassiker, den ich endlich mal wieder höre. Denn sie lädt zum Musik hören ein, will nicht kuscheln sondern mit ihrer rasanten Neutralität begeistern. 


Unterm Strich...

Die Dr. Feickert Analogue Vero S braucht man wirklich nur hinzustellen, anzuschließen und kann sie dann vergessen. Sie wird ihren Job perfekt verrichten und uns das ermöglichen, was wir doch wollen: Musik auf ganz hohem Niveau hören.

KategoriePhonovorstufe
ProduktVero S
HerstellerDr. Feickert Analogue
Preis1495 Euro
Preis Zusatz (Vero S); 749 Euro (Linear Netzteil) im Bundle
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Atomares - Tonarm- und Phonokabel inakustik Phono-1205 AIR

Logo LP:Magazin

Weitere Tests des Autors Christian Bayer

 14.01.2025
Atomares - Tonarm- und Phonokabel inakustik Phono-1205 AIR

Wir brauchen Kabel für viele Anwendungen und genau deswegen nerven sie uns auch manchmal. Wenn man ihre Notwendigkeit aber einmal akzeptiert hat, kann man sich ihren Möglichkeiten zuwenden....

Feature Audio-Technica Tonabnehmer AT-ART1000X im Test, Bild
 21.12.2024
Produktpräsentation Audio-Technica AT-ART1000X Tonabnehmer - Feature Audio-Technica AT-ART1000X Tonabnehmer

Wenn einer eine Reise tut. Ok, eigentlich waren es ja zwei, die ihren Weg aus Japan nach Berlin fanden. Ich spreche nicht von mir oder einer etwaigen Begleitung, es geht natürlich um zwei...

Lautsprecher Mårten Oscar Trio im Test, Bild
 17.12.2024
Der richtige Groove - Lautsprecher Mårten Oscar Trio

Seit kurzem hat Jan Sieveking die Lautsprecher der schwedischen Firma Mårten im Vertrieb und schon nimmt die Marke wieder Fahrt auf. Wir haben das größere Modell der kleinsten Serie zur...

Plattenwaschmaschine Record Doctor X im Test, Bild
 13.11.2024
Einfach, gut - Plattenwaschmaschine Record Doctor X

Wenn mich jemand fragt, ob er eine Platten waschmaschine braucht, dann antworte ich:“Wenn du mehr als 20 Platten hast, ja.“ Jetzt kann ich euch eine wirklich erschwingliche Maschine empfehlen, die...

Plattenspieler Cyrus TTP im Test, Bild
 05.11.2024
Mission erfüllt - Plattenspieler Cyrus TTP

Wie lange gibt es Cyrus schon? Gefühlt schon mein ganzes Audioleben und tatsächlich ist die Ur-Zelle Mission schon 1977 von Farad Azima als Lautsprecherfirma gegründet worden. Und nun...

Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


newsletter_icon

Keine Tests verpassen!

Jetzt zu unserem Newsletter anmelden und keinen Test mehr verpassen.

× Vollbildanzeige