Plattenspieler Cyrus TTP im Test, Bild
Die ungefähre Lesezeit beträgt 9 Minuten
Einzeltest > Plattenspieler > 05.11.2024

Mission erfüllt

Wie lange gibt es Cyrus schon? Gefühlt schon mein ganzes Audioleben und tatsächlich ist die Ur-Zelle Mission schon 1977 von Farad Azima als Lautsprecherfirma gegründet worden. Und nun habe ich ihren ersten Plattenspieler vor mir stehen.

Plattenspieler Cyrus TTP

Farad war eine bunte Persönlichkeit, Industrieller, Philanthrop, Musikliebhaber. Sein vielleicht bester Schachzug bestand darin, dass er seinen Bruder „Henry“ Ende 1979 in die Firma brachte. Henry war studierter Elektroingenieur und arbeitete 15 Jahre bei den iranischen Seestreitkräften. Von Audio hatte er keine Ahnung, las sich mit Hilfe seines Bruders aber gründlich ein und behielt zunächst eine gewisse Grundskepsis bezüglich der Unterschiede von Bauteilen oder Kabeln bei. Das änderte sich aber im Laufe seines Designerlebens durch die neuen Erfahrungen und so wurde er einer der ersten, der ein Audiodesign ganzheitlich verstand und anging. Sein erster Job, der Mission 700 Lautsprecher, wurde zum Erfolg und begründete mit der 700er Serie den Erfolg von Mission. Schon hier fanden sich unkonventionelle Ansätze wie die umgedrehten Tiefmittel- und Hochtöner. Für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehende Elektroniksparte hatte sich Farad zuerst Unterstützung von Philip Swift und Derek Scotland, die später Audiolab gründeten, John Bicht (Versa Dynamics) oder Stan Curtis (Moth, Cambridge uvm.) geholt. Mission Cyrus wurde dann 1984 als Elektroniksparte von Mission gegründet. 2005 wurde die Firma dann konsequent als Cyrus neu gegründet, um sich ganz auf Elektronik zu konzentrieren, während die Mission Lautsprecher seit 2005 an IAG gebunden sind. Seit 2022 ist Nick Clarke Geschäftsführer von Cyrus. Der Mann bringt eine enorme Erfahrung mit sich, er arbeitete in verantwortlichen Positionen für Harman, Arcam, IAG oder Audiolab.   

Er dreht sich
Das ist eine Premiere, denn einen Cyrus Plattenspieler gab es noch nie. Der TTP sieht elegant und fast schon zierlich aus. Seine Frontblende lässt keinen Zweifel darüber, womit wir es hier zu tun haben, denn das ist glasklar moderne Cyrus Corporate Identity. Nun fragst du dich als alter LP Leser garantiert, woher der Dreher denn wirklich kommt, denn es ist ja reichlich unwahrscheinlich, dass Cyrus selbst die Entwicklung und Produktion eines Plattenspielers stemmt. Rein optisch lässt sich das eben nicht sofort erraten, denn der Cyrus-Look mit der zweigeteilten, abgeschrägten, leicht pultförmigen Front ist ausgesprochen gelungen. Aber auch wenn der Dreher elegant und fast schon zierlich aussieht, bekommt man einen ersten Hinweis auf seine Herkunft, wenn man ihn in die Hand nimmt. 

Plattenspieler Cyrus TTP im Test, Bild
Wie alles an diesem Plattenspieler ist auch die Lagerung des Motors supersolide gemacht. Kein Wunder, wenn man weiß, woher der TTP kommt
Ich sage nur „Obacht“, denn das Teil ist richtig schwer, 24kg um genau zu sein. Die Zarge wird aus Vollaluminium gefräst, perlgestrahlt und dann gebürstet, bevor sie harteloxiert wird. Mit dem 6kg schweren Teller ist es ähnlich, nur wird er nicht gebürstet, dafür aber mit demselben synthetischen Ledermaterial bedämpft, aus dem die Tellermatte ist. Der Gleichstrommotor treibt einen rechteckigen Riemen an, der selbstzentrierend ist und anders als runde Exemplare keine störenden Materialübergänge hat.  Die Geschwindigkeiten sind voreingestellt und lassen sich im Bedarfsfall mit kleinen Schräubchen nachjustieren. Die interne digitale Motorsteuerung wurde von Cyrus mitentwickelt. Mitgeliefert wird ein kleines Steckernetzteil, das man auch durch ein PSX-R2 Zusatznetzteil ersetzen kann. Wobei, kann man erstmal nicht, denn wenn man nicht beide in Betrieb hat, geht gar nichts. Ja, die spinnen doch die Engländer, dachte ich. Nick Clarke hat mir dann erklärt, warum. Also nicht, warum sie spinnen, sondern warum das so ist. Das PSX-R2 braucht die Referenzspannung des Steckernetzteils, um die zu multiplizieren, mehr nicht. Alles klar.  

Länderübergreifend
Schluss mit Versteckspiel, jetzt lüfte ich das Geheimnis um den Hersteller des TTP. Beim Anblick das Lager, wird klar, dass es sich um Acoustic Signature handeln muss. Über diese Zusammenarbeit ist Nick Clarke voll des Lobes und ist das nicht schön? Eine deutsch-englische Freundschaft trotz Brexit und der damit verbundenen Widrigkeiten? Das sind doch die Geschichten, die wir hören und die wir erzählen wollen. Aber was hat es nun mit dem Lager auf sich? Acoustic Signatures Vordenker Gunter Fronhöfer ist ein meinungsstarker Mann, der sich über jeden Aspekt der Schallplattenabtastung ausführlich Gedanken gemacht hat. Das Tellerlager nennt er „das Herz jedes Plattenspielers“. Aus physikalischer Sicht kommt ihm laut Fronhöfer viel zu wenig Beachtung zu. Er spricht da von „ungenauen bis falschen Denkansätzen“. Klar ist, dass durch ein etwaig hohes Tellergewicht der Kontaktbereich von Lagerspiegel und -kugel unter hohen Druck gerät und das verwendete Schmiermittel zu den Seiten drängt. Und das führt zu unangenehmen Folgen: Reibung und Geräusche nehmen zu, Vibrationen können sich auf die Abtasteinheit übertragen und das Ensemble unterliegt schnellerem Verschleiß. Wenig überraschend ist Fronhöfer auf invertierte Lager gar nicht gut zu sprechen, da diese das Störmaximum deutlich näher an die Abtasteinheit brächten, da das dann im Dreh punkt von Tellerachse und Lagerspiegel liege. Der Mann hat nicht ganz Unrecht.   

Lagerungen
Deshalb entwickelte Fronhöfer das sogenannte Tidorfolon®-Lager, das 1997 serienreif war. Es war sowohl hart als auch selbstschmierend und ließ sich nicht von hohen Tellermassen irritieren.  Dank seiner zusätzlich vorhandenen Flexibilität konnte es anscheinend auch mit plump aufgesetzten Tellern souverän umgehen. Außerdem war das Lager wartungsfrei und selbstschmierend. Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung und Freude damit ging man im Schwabenländle, wo man all das natürlich selbst fertigt, noch ein Stück weiter. Das neue DTD-Lager bekam andere Sinterbuchsen, welche die drei fache Menge Schmieröl speichern können sowie eine neue Lagerachse. Dafür wird ein vakuum gehärteter Edel stahl präzise geschliffen und auf wendig plasmabeschichtet. Diese diamantartige Oberfläche – daher der Name DTD (Dura Turn Diamond) – reduziert laut Acoustic Signature den Reibungs koeffizienten um weitere 60 Prozent. Quasi unkaputtbar soll es sein, maximal geräuscharm und extrem langlebig, weshalb AS locker eine Garantie von 15 Jahren nur auf das Lager gibt. Und genau so eins macht Dienst im Cyrus TTP. Und das hört man, denn der Betrieb geht vollkommen nebengeräuschfrei vonstatten.  

Weiteres
Einen Rega RB330 Tonarm zu verwenden, lag laut Nick Clarke auf der Hand: die Arme sind verfügbar, sie komme aus England, sind bewährt und man versteht sich mit Rega prima.  Außerdem ist die Rega-Bohrung so weit verbreitet, dass man bei Bedarf leicht einen anderen Arm einbauen kann. Die Motorsteuerung kommt zwar auch von Acoustic Signature, hat aber ordentlich Input von Cyrus bekommen – Elektronik können sie eben. 
Plattenspieler Cyrus TTP im Test, Bild
Bewährte Ware. Das Excalibur Red, eine Eigenmarke des Cyrus-Vertriebs TAD hat sich auf den Rega Tonarmen bewährt. So einer spielt auch auf dem TTP
Über die britische Netzteillösung haben wir gesprochen. Viel interessanter ist allerdings die Classic Phono(stufe), die ich auch zum Hören bekam. Auch wenn der Test dem TTP gilt, will ich doch ein paar Worte darüber verlieren. Die Phono ist ausgesprochen flexibel, denn man kann nicht nur alles Mögliche auf der Front einstellen und anpassen, man kann auch bis zu vier Tonabnehmer anschließen. Sie klingt gut, aber unspektakulär. Bis man sie mit einem PSX-R2 Zusatznetzteil betreibt, dann geht aber die akustische Sonne auf. Lass es mich so sagen: der TTP selbst läuft nur mit dem Steckernetzteil betrieben etwas langsamer an und profitiert sicher auch von einer insgesamt noch größeren Laufruhe durch das PSX-R2. Und du kannst auch die Classic Phono mit ihrem Steckernetzteil prima nutzen und hören. Aber das PSX-R2 beamt sie in eine andere Klasse, als würde ein Fenster in einen ganz anderen Raum geöffnet, spielt sie wie befreit auf. Darauf kannst du dich freuen, wenn du dir das Extranetzteil nicht gleich leisten kannst. Am Rega montiert war das bewährte Excalibur Red High- Output MC aus dem Hause TAD bzw. Excel Sound mit seinen gesunden 2mV Output.  

Klingt er?
Nein, der TTP macht „einfach“ seinen Job und hat praktisch keine Signatur. Aber es zeichnete sich Stück für Stück ein Bild, das ich vor allem als neutral bezeichnen möchte. Sehr stabil, stoisch, unaufgeregt und ruhig dreht er seine Runden und spielt Platte um Platte, als wollte er sagen: “Her damit, das ist mein Job.“ Interessanterweise konnte ich ihn auch keinem Antriebslager zuordnen. Sprich, es war nicht wirklich heraus zu hören, dass es sich um ein riemengetriebenes Laufwerk handelt, eine Eigenschaft, die ich sehr hoch schätze. Das lässt sich immer besonders gut mit Klaviermusik verifizieren. Bei den überragenden Einspielungen aller Beethoven Sonaten von Friedrich Gulda machen sich Gleichlaufschwankungen sofort bemerkbar. Unterschiede in der Anschlagsdynamik werden bei instabilen Antrieben sofort deutlich. Der TTP weiß gar nicht, was das ist, Instabilität. Er stellt Guldas Flügel breit in den Raum, wartet darauf, was dem Meister einfällt und reagiert zeitgleich darauf. Das Excalibur Red ist da noch nicht das letzte Wort in Sachen Klangschönheit oder feinsten Details. Aber auch damit kann man dem Genie von Friedrich Gulda und natürlich dem von Beethoven auf die Spur kommen. Kann der TTP auch Groove? Und ob. Die irre Kombination aus dem malischen Koraspieler Vieux Farka Touré und den Groovemonstern von Khruangbin rastet so dermaßen ein, dass ich am liebsten eine Party ausrufen möchte: satte Bässe, schier endlose Melodielinien, nie verwaschen, immer aufgeräumt und trotzdem wie aus einem Guss. Das gilt auch für Cloudward, dem bislang besten Album der genialen Gitarristin Mary Halvorson und ihrem kongenialen Amaryllis-Sextett. Die Tonalität dieser klavierlosen Band mit Vibraphon und zwei Blechbläsern trifft der TTP perfekt. Er macht die irren Melodielinien ebenso verständlich wie die teils brutalen Riffs und schier kakofonische Momente wie in Desiderata. Danke TTP, weiterhören.


Unterm Strich...

Was für ein Debut. Ein ultrastabiler, totenstiller Antrieb sorgt für einen Klang, der sich an freundlichster Neutralität orientiert und zum Langzeithören einlädt. Das Laufwerk ist gut genug, um ihm einen edleren Tonarm und noch feinere Tonabnehmer zu spendieren.

KategoriePlattenspieler
ProduktTTP
HerstellerCyrus
Preis4995 Euro
Preis Zusatz (TTP) 2.295 (Classic PHONO) 1.195 Euro (PSX-R2) 699 Euro
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Anschlusswunder mit Charakter - Phonovorstufe MoFi Electronics MasterPhono Phonostage

Logo LP:Magazin

Weitere Tests des Autors Christian Bayer

Plattenwaschmaschine Record Doctor X im Test, Bild
 13.11.2024
Einfach, gut - Plattenwaschmaschine Record Doctor X

Wenn mich jemand fragt, ob er eine Platten waschmaschine braucht, dann antworte ich:“Wenn du mehr als 20 Platten hast, ja.“ Jetzt kann ich euch eine wirklich erschwingliche Maschine empfehlen, die...

Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II im Test, Bild
 05.11.2024
Ganzheitlich - Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II

Es gibt sie noch, die echten Geheimtipps. Hersteller und ihre Produkte, die unter dem Radar existieren, auch weil sie das genau so wollen. Dazu gehört die englische Firma LFD Audio.

Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7 im Test, Bild
 05.06.2024
Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Wenn ein neues Produkt vom japanischen Röhren spezialisten Air Tight auf den Markt kommt, ist das ein Grund zum Feiern, denn die Mannen aus Osaka schicken keine Banalitäten ins...

Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


newsletter_icon

Keine Tests verpassen!

Jetzt zu unserem Newsletter anmelden und keinen Test mehr verpassen.

× Vollbildanzeige